Die Entfuehrung
mal drei Stunden Schlaf pro Nacht. Auf dem Tisch standen eine verschmierte Kaffeetasse und eine Flasche Whiskey. Seine Hemdbrust war mit Zigarrenasche beschmutzt. Der Fernseher lief, aber der Ton war abgestellt. In der letzten Dreiviertelstunde hatte Buck die neuen Wahlkampfspots daraufhin durchgesehen, ob etwas Taugliches für den entscheidenden Schub vor der Wahl dabei war. Er hatte einen Medienberater von der Madison Avenue an der Strippe und brüllte in den Hörer, während er wütend auf und ab ging.
»Ich will nicht noch einen Baumwollpflücker-Spot sehen, in dem Lincoln Howe einem Schwarzen die Hand schüttelt. Diese Bevölkerungsschicht haben wir sowieso längst in der Tasche.« Er schwieg und hörte sich an, was sein Gesprächspartner zu sagen hatte. »Es ist mir egal, ob eine neue Aussage gesendet wird. Aussagen kommen bei diesen Leuten nicht an. Verdammt noch mal, die Hälfte der Schwarzen in Amerika denkt doch, dass Lincoln Howe seinen Namen von einem verdammten Luxusschlitten hat. Ich will einen neuen Spot bis fünf Uhr, und der soll sich an weiße Frauen richten. Kapiert? Das ist unsere Zielgruppe. Weiße Frauen!«
Er knallte den Hörer auf und kippte den Rest seines Whiskeys. Auf das Klopfen an der Tür reagierte er mit Magen-grummeln. Wer konnte das sein?
Er sah durch das Guckloch und öffnete die Tür mit einem Grinsen.
Ein Mann in abgetragenen Jeans, einem Flanellhemd und einer Thermoweste trat ein. Er trug das dunkelrote Haar schulterlang. Als er seine Baseballmütze mit dem Schriftzug der Atlanta Braves abnahm, kam eine glänzende Halbglatze zum Vorschein.
»Volltreffer«, sagte er mit einem verschlagenen Grinsen. Er warf einen großen Briefumschlag auf den Schreibtisch.
Gierig öffnete LaBelle den Umschlag und betrachtete die großen Hochglanzfotos. Er wühlte sich durch den ganzen Stapel und zog bei jedem Foto stärker an seiner Zigarre. Sie waren offensichtlich in schneller Abfolge geschossen worden, alle mit demselben Motiv: der schluchzende Lincoln Howe auf dem Rücksitz seiner Limousine
LaBelle verzog das Gesicht, als er von dem Stapel aufsah. »Davon kann ich kein einziges gebrauchen.«
Der Fotograf lehnte sich niedergeschlagen an die Wand. »Aber es ist das, was Sie haben wollten. Lincoln Howe als ein Mensch mit Gefühlen.«
»Natürlich Gefühle. Etwas, das einen hartgesottenen alten Armeegeneral attraktiver macht für weibliche Wähler. Vielleicht ein Foto, auf dem er seine am Boden zerstörte Tochter tröstet. Vielleicht sogar ein General, der etwas aufgewühlt ist und betrübt dreinblickt. Was Sie mir gebracht haben, sind keine Gefühle, sondern Fotos von einem erwachsenen Mann, der angesichts einer persönlichen Krise wie ein Baby plärrt. Wie in Gottes Namen stellen, Sie sich vor, dass ein Marshmallow zum Präsidenten gewählt wird?« »Da hätten Sie schon ein bisschen deutlicher sein müssen.« »Verdammt noch mal, Red. Vor fünf Jahren, musste ich Ihnen da sagen, dass ich ein Foto haben wollte, auf dem der Kongressabgeordnete Butler seine Sekretärin bumst? Da hatten Sie nur den Auftrag, ihn in einer peinlichen Situation zu überraschen. Mehr musste ich Ihnen da nicht sagen. Sie wussten, worauf es ankam. Aber ausgerechnet jetzt vermasseln Sie den wichtigsten Auftrag, den ich Ihnen je gegeben habe.«
Red schüttelte den Kopf. »Hören Sie zu, ich habe meinen Job erledigt. Es war gar nicht so einfach, Lincoln Howe bei all den Secret-Service-Leuten, die dauernd um ihn herumschwirren, zu erwischen. Und zumindest der erste Teil des Jobs ist ohne Schwierigkeiten über die Bühne gegangen. Ich habe Leahy da unten am Fluss wie eine Politik-Hure aussehen lassen. Das FBI geht garantiert davon aus, dass sie selbst mich angeheuert hat, um die Justizministerin bei der Verbrechensaufklärung abzulichten. Ich habe mir meine fünf Riesen verdient. Abgemacht ist abgemacht.
LaBelle war wütend. Am liebsten hätte er Red zum Teufel gejagt, aber so kurz vor der Wahl wollte er keinen Ärger mit einem Geprellten riskieren. Er legte seine Aktentasche auf den Schreibtisch und öffnete das Zahlenschloss. Er nahm einen dicken Umschlag heraus und reichte ihn Red. »Fünfzig Einhundertdollarnoten«, sagte er und zog an seiner Zigarre.
Red warf einen Blick in den Umschlag und stopfte ihn dann in seine Weste. »Es ist ein Vergnügen, für Sie zu arbeiten. Sie können die Fotos behalten.«
»Scheiß auf die Fotos. Ich will die Negative.«
Red grinste verschlagen. »Also, das war eigentlich nicht
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