Die Entfuehrung
sachlich: Wie ich erfahren habe, ermittelt das FBI, ob die Entführung möglicherweise von einem meiner eigenen Anhänger inszeniert worden ist, um meinen Wahlkampf mit einer Welle der Sympathie zu fördern. Jetzt kommt der zweite Teil. Sie werden wütend und empört: bisher ist das einzig Politische an dieser Entführung die Art der Ermittlungen selbst - die von meiner Kontrahentin geleitet werden, von der Justizministerin. «
Howe wand sich. »Der zweite Teil gefällt mir nicht.«
»Auf den zweiten Teil kommt es aber an.«
»Leahy ist wie auf Eierschalen gegangen, um bloß nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie die Untersuchung politisieren wollte. Wenn ich anfange, falsche Beschuldigungen zu erheben, stehe ich wie ein Maulheld da.«
»Erinnern Sie sich an unser Gespräch am Flughafen. Früher oder später erfährt die Presse, dass sich die Ermittlungen auf unseren Wahlkampf konzentrieren. Wir können nicht zulassen, dass das von Leahy oder vom Weißen Haus in Umlauf gebracht wird. Wir müssen ihnen die Schau stehlen. Wenn die es aufdecken, können Sie Ihren Arsch darauf wetten, dass das amerikanische Volk Sie verdächtigen wird. Aber wenn wir das selbst in die Hand nehmen, und zwar auf meine Weise, werden die Leute wütend sein - nicht auf uns, sondern auf sie. Glauben Sie mir.«
»Ich kann hier nicht den Empörten spielen und behaupten, dass die Untersuchung aus politischen Gründen manipuliert wird. Wir wollen uns nichts vormachen, Harley Abrams ist nicht der Mann, der politisch motiviert ist. Wir brauchen einen Aufhänger. Etwas, das unserer Behauptung, Leahy würde die Dinge zu ihrem Vorteil manipulieren, Glaubwürdigkeit verleiht.«
Die Blaskapelle kam zum Finale. Das Klatschen der Menge ging im frenetischen Jubel unter. Howe und sein Wahlkampfmanager waren so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie den Lärm nicht mitbekamen.
»Mir kommt da eine Idee«, sagte LaBelle, und seine Miene hellte sich auf. »Wir sprechen über die Kontroverse um den Missbrauch von Wahlkampfmitteln.«
»Kontroverse um was für einen Missbrauch?«
»Haben Sie noch nichts davon gehört?« fragte LaBelle und tat überrascht. »Es ist unerhört. Leahy und ihre Bande skrupelloser Schreiberlinge haben gefordert, dass die Howe-Familie alle Findet Kristen -Plakate entfernt, die wir im ganzen Land aufgehängt haben. Ebenso sollen wir die TV-Spots mit der Hotline für Hinweise absetzen. Nach Meinung dieser Zyniker handelt es sich dabei um zweifelhafte Werbung für den Namen Howe - und folglich für die Kandidatur von Lincoln Howe. Sie behaupten, das wäre illegaler Einsatz von Wahlkampfmitteln.«
»Das sagen die tatsächlich?« fragte Howe ungläubig.
»Nun ja, ich gebe zu, dass es bis jetzt erst ein Gerücht ist, aber ein glaubwürdiges.«
»Warum habe ich davon nichts gehört? Wann zum Teufel hat das angefangen?«
»Wann?« fragte LaBelle grinsend. »Jetzt im Moment. Sie fangen damit an.«
Howe war wie vom Donner gerührt. Plötzlich dröhnte die Stimme des Ansagers aus den Lautsprechern auf der Bühne. »Meine Damen und Herren, ich habe das große Vergnügen, Ihnen einen wahren amerikanischen Helden zu präsentieren, einen Mann, der Ehrlichkeit und Integrität nach Washington bringen wird. Begrüßen Sie den künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika: General Lincoln Howe!«
Die Blaskapelle spielte einen Tusch. Ein Schwärm roter, weißer und blauer Luftballons stieg zum Himmel auf. Fünftausend Menschen sprangen auf die Füße und brachen in überschwänglichen Jubel aus.
Howe fixierte seinen Wahlkampfmanager einen gespannten, erwartungsvollen Moment lang. Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Dann atmete er tief durch und signalisierte mit einem kurzen, ernsten Nicken seine Zustimmung. LaBelle lächelte angespannt und klopfte ihm ermunternd auf die Schulter.
»Zeigen Sie's ihnen, General.«
Howe setzte sein Wahlkampflächeln auf, eilte auf die Bühne und winkte mit beiden Händen seinen jubelnden Fans zu
31
Kristen Howe erwachte in einem schwach erleuchteten Raum. Sie lag auf dem Rücken und starrte auf einen schwarzen Fleck an der vergilbten Decke, der sich über dem Lüftungsschlitz gebildet hatte. Das steife Kissen knisterte unter ihren Ohren, als sie langsam den Kopf drehte, um ihre Umgebung in Augenschein zu nehmen. Die andere Seite des Doppelbetts war leer, aber zerwühlt, als hätte jemand drin geschlafen. Auf der Kommode stand ein Farbfernseher, der auf CNN eingestellt war. Der
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