Die Entfuehrung
Justizministerin.«
Beim zweiten Klingeln wuchs die Spannung.
Harley nickte Tanya zu, um anzudeuten, dass das der erwartete Anruf war. »Denken Sie daran, das Gespräch in die Länge zu ziehen. Wir brauchen Zeit, den Anruf zu orten.«
Es klingelte zum dritten Mal. Tanya atmete tief durch. Unfähig, sich hinzusetzen, blieb sie neben dem Telefon stehen. Sie warf ihrer Mutter einen hilfesuchenden Blick zu. Als es zum vierten Mal klingelte, nahm sie den Hörer ab. »Hallo.«
»Tanya Howe?«
Die verzerrten Worte klangen tief und mechanisch, genau wie bei dem Anruf von gestern. Aber irgendwie hörten sie sich anders an - wie von einer anderen Person. Tanya reagierte verwirrt und verängstigt. »Ja, das bin ich.«
Am anderen Ende der Leitung befestigte Repo den unhandlichen Aufsatz auf der Sprechmuschel. Er saß hinter dem Steuer eines geparkten Autos und redete in den Stimmverzerrer. »Ich rufe an, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Tochter in Sicherheit ist.«
»Wo ist sie?«
»Beruhigen Sie sich. Ich werde sie bis nach der Wahl bei mir behalten. Es gibt jemand, der sie töten will. Ich werde das nicht zulassen.«
»Lassen Sie mich mit ihr sprechen - bitte.« Repo zog den Sprachverzerrer von der Muschel ab und legte ihn auf das Armaturenbrett, dann sah er Kristen streng an. »Du hast zwanzig Sekunden. Mehr nicht.«
Sie nickte und schnappte sich aufgeregt den Hörer. Repo beugte sich über die Schaltkonsole des Wagens, um besser mithören zu können. »Mami?«
»Kristen!« Tanyas Herz raste vor Schmerz und Freude. Sie ging auf und ab und nahm um sich herum nichts mehr wahr.
»Mir geht's gut, Mami.«
»Oh, mein Liebling, Gott sei Dank. Bist du verletzt?«
»Nein.«
»Es ist so kalt draußen. Ist dir warm genug?«
»Ja klar.«
»Bekommst du was zu essen?«
»Ja. Froot Loops und so was.«
»Weißt du, wo du bist? Du musst mir ja nicht sagen, wo. Nur ob du es weißt.« Repo sah Kristen an und schüttelte den Kopf.
»Das darf ich nicht beantworten, Mami. Aber es ist alles in Ordnung. Wirklich. Bitte, mach dir keine Sorgen.« Repo zeigte auf die Uhr, weil die Zeit um war. »Mami, ich muss jetzt auflegen.« »Nein!« Sie wollte das Gespräch nicht unterbrechen, aber sie konnte ihre Gedanken nicht mehr ordnen. Ihr flössen die Tränen. Verschwommen sah sie die Agenten an ihren Computern hantieren.
Die Koordinaten leuchteten auf dem hellblauen Bildschirm auf. Sie hatte nur eine ungefähre Vorstellung davon, dass die Sendesignale von Übertragungsstationen aufgespürt wurden, womit man Schnittstellen ermitteln konnte. Die flimmernden Hightech-Apparate machten ihre Verwirrung aber nur noch schlimmer. Abrams sah sie flehend an, als wäre jede zusätzliche Sekunde ganz wichtig.
»Kristen, ich liebe dich«, sagte sie mit versagender Stimme.
»Mami, bitte nicht weinen.«
Repo verzog sein Gesicht, er empfand Mitgefühl für Kristens Mutter. Er sah wieder auf die Uhr. Vierzig Sekunden. Viel zu lang. »Sag auf Wiedersehen«, flüsterte er panisch.
»Ich liebe dich auch, Mami. Ich bin bald wieder zu Hause. Ich verspreche es dir.«
Die Verbindung war unterbrochen. Abrams sah Tanya an, dann die Agenten. Er hielt die Spannung kaum aus. Auf dem Bildschirm überschnitten sich jetzt zwei kleine gelbe Flecken, über die sich ein Koordinatennetz legte. In einem zweiten Fenster liefen Daten durch wie in einem Spielautomaten. Plötzlich hielten sie an und listeten eine Reihe von möglichen Adressen auf.
Die Techniker sprangen von ihren Stühlen auf und riefen unisono: »Wir haben ihn.«
»Wo?« fragte Harley.
»Genau hier! In Nashville.«
Harley schnappte sich den Hörer und wählte die Nummer des Hauptquartiers
34
»Ich wusste es, ich wusste es, ich wusste es!« schnaubte Repo und hämmerte auf das Lenkrad. Sein Atem dampfte im kalten Innenraum des parkenden Wagens, an dem in beide Richtungen der Verkehr auf der breiten Hauptverkehrsstraße vorüber floß. Durch die getönten Scheiben war von außen nichts zu erkennen.
»Ich wusste, dass ich dich nicht hätte ans Telefon lassen dürfen. Du hast so lange geredet, dass selbst Barney Five unseren Anruf hätte aufspüren können.«
Kristen sank auf dem Beifahrersitz in sich zusammen. Sie war den Tränen nahe, hielt sich aber tapfer. »Es tut mir leid«, gab sie patzig zurück. »Aber meine Mutter hat geweint. Ich konnte nicht einfach auflegen.«
Er holte tief Luft und sagte mit sanfter, aber nachdrücklicher Stimme: »Schon gut, vergiss es. Es war nicht dein
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