Die Entlarvung
Überlegungen nach, die mit seiner eigenen Frage an Gloria zusammenhingen. Frauen benahmen sich während ihrer Periode häufig merkwürdig, stellte er fest. Er war so in Gedanken versunken, daß er Glorias Worte kaum zur Kenntnis nahm. »Hast du zu viel Geld ausgegeben?« scherzte er. »Deine Mutter hat sich gestern darüber beschwert. Sie sagt, daß du dauernd neue Kleider kaufst. Wieso auch nicht? Von mir aus kannst du dir alles kaufen, was du möchtest.«
Die Sekretärin meldete die zwei Herren aus dem Vorstand an, die King erwartete. »Ah, sie sind da«, verkündete er. »Von deinen Angestellten mußt du immer verlangen, daß sie auf die Minute pünktlich sind, Gloria. Du dagegen läßt sie ruhig ein wenig warten. Das kann nicht schaden. Heute allerdings dürfen wir keine Zeit verlieren. Wir haben viel zu erledigen.«
»Sie sollen hereinkommen«, wandte er sich an die Sekretärin. Er legte für einen Moment den Arm um Glorias Schultern. »Schlimmes Mädchen«, schalt er, wobei er ihr zuzwinkerte. »So viel Geld auszugeben. Jetzt wirst du es erst einmal verdienen …«
Gloria entgegnete nichts. Die Gelegenheit war verpaßt. Noch einmal würde sie den Mut nicht aufbringen, sich ihm anzuvertrauen.
Der Flug nach Jersey verlief mit einigen Turbulenzen. Julia machte das nichts aus. Sie flog gerne und hatte nicht unter Luftkrankheit zu leiden. Die Insel war in eine dichte Wolkendecke gehüllt, dafür waren die Temperaturen – wie immer – angenehm mild. Völlig außer Atem nahm Janey sie in der Ankunftshalle in Empfang.
»Julia, Darling«, rief sie. »Wie schön, dich zu sehen. David konnte leider nicht kommen – ein Notfall im Krankenhaus. Wie war dein Flug?«
»Ziemlich holprig, aber ich habe ihn trotzdem genossen. Du siehst großartig aus, Janey. Ich habe nicht viel Gepäck. Diesmal habe ich mich ernsthaft bemüht, nicht zu viel einzupacken.«
»Ich hoffe, du bleibst trotzdem lange bei uns. Alle unsere Freunde brennen schon darauf, dich kennenzulernen.«
Während der Fahrt nach Trinity redete sie pausenlos.
Das Leben auf Jersey sei ruhig, aber relativ ereignislos. Im Moment fände eine Weihnachtsfeier nach der anderen statt. Die Reise nach Frankreich sei sehr schön gewesen, nur habe sie sich gegen Ende einen Magen-Darm-Virus eingefangen … David sei zufriedener denn je. Hier habe er endlich Zeit, neben seiner Arbeit auch noch Hobbys wie Segeln und Golf nachzugehen. Nichts auf der Welt würde sie je wieder in das hektische Großstadtleben zurückbekommen.
Julia ließ den Redeschwall über sich ergehen und begnügte sich mit dem einen oder anderen Kommentar. Die Petersons besaßen ein hübsches Haus, das von einem – für Jersey typischen – üppigen Garten umgeben war. Sie parkten in der Einfahrt und liefen eilig zur Haustür, denn es hatte zu regnen begonnen. »Wie schade«, rief Janey aus. »Gestern hatten wir strahlenden Sonnenschein und richtig warmes Wetter. Ich hoffe, daß es nicht so schlecht bleibt.«
»Mir würde das nichts ausmachen«, versicherte Julia. »Ich bin froh, daß ich überhaupt hier sein kann.«
Vor dem Mittagessen setzten sie sich in das gemütliche Wohnzimmer und nahmen zusammen einen Drink ein. Der Raum hatte große französische Fenster mit Blick auf den schönen Garten. Der Regen prasselte gegen die Scheiben.
»Du wirkst ein wenig abgespannt«, bemerkte Janey. »Sieh zu, daß du dich hier erholst. Du hast doch keine Schwierigkeiten, oder?«
»Nein.« Julia lächelte sie an. »Überhaupt keine. Einfach nur viel Arbeit und viel Streß. Du wirst staunen, wie schnell ich bei euch aufblühe. Wie geht es den Jungen?«
Janey und David hatten zwei Söhne. Der ältere studierte in Cambridge, der andere hatte gerade die Schule beendet und reiste durch Australien. Demnächst würde er mit seinem Medizinstudium beginnen. Julia hatte die Jungen seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Den jüngeren hatte sie freundlich und nett in Erinnerung. Der ältere dagegen war ihr hochnäsig und arrogant vorgekommen. Ein wenig wie Felix.
Felix … Sie hatte nicht mehr an ihn gedacht, seit Ben ihr von seiner Kooperationsbereitschaft im Fall Joe Patrick berichtet hatte. Sie war überrascht gewesen, daß Ben, der Felix immer so kritisch gegenübergestanden hatte, auf einmal so positiv von ihm sprach. Ben war nicht länger eifersüchtig, darin lag wohl der Grund. Felix gehörte der Vergangenheit an. Als könne sie Gedanken lesen, fragte Janey: »Wie geht es deinem
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