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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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fast erreicht. Eilig trat Evelyn vom Fenster zurück und klingelte nach dem Butler.
    »Miss Hamilton ist eingetroffen«, ließ sie ihn wissen. »Führen Sie sie bitte gleich zu mir, und kümmern Sie sich nicht um die Getränke. Wir bedienen uns selbst. Ich möchte nicht gestört werden. Danke, Felipe.« Auf die Frage des Butlers, ob Miss Hamilton über Nacht bleibe, entgegnete sie: »Nein, das glaube ich kaum.« Sie setzte sich in den großen Sessel, der normalerweise für William reserviert war. Das Licht, das von hinten auf sie fiel, ließ ihr Haar silbrig aufleuchten. Bei Julias Eintritt erhob sie sich und ging langsam auf ihren Gast zu. Sie wirkte größer denn je.
    »Kommen Sie und setzen Sie sich, Julia«, sagte sie ruhig. »Sie haben sich am Telefon so aufgeregt angehört, daß Sie mir einen richtigen Schrecken eingejagt haben. Sie möchten sicherlich etwas trinken … Sherry?«
    »Nein, danke, Lady Western.« Julia nahm auf dem Sofa Platz. Sie spürte die kühle Zurückhaltung ihrer Gastgeberin und war sehr betroffen darüber. Sie mochte und bewunderte die ältere Dame. Sie hatte ihr vertraut, trotz der Einwände, die Ben gegen sie geäußert hatte. Armer Ben. Sie hatte Jennys Nachricht auf dem Anrufbeantworter vorgefunden, als sie vor der Abfahrt nach Hollowood noch einmal kurz in der Wohnung gewesen war. Armes Mädchen … eine Fehlgeburt. Aber sie mußte ihre Gedanken jetzt zusammennehmen und sich auf das konzentrieren, was sie Lady Western zu sagen hatte. Ich lasse mich nicht einschüchtern, redete sie sich Mut zu, während sie beobachtete, wie Evelyn Western sich mit wenig freundlicher Miene auf dem Sessel niederließ und ungeduldig ihren Rock glattstrich. Jean Adams mußte wegen des Jobs sterben, der mir in diesem Haus aufgeladen worden ist, dachte Julia. Ich lasse mich nicht einschüchtern.
    »Ich mußte meine Verabredung absagen«, sagte Evelyn kühl. »Es war mir sehr unangenehm, meine Freunde mit einer Ausrede abzuspeisen. Ich lüge nicht gern.«
    »Es tut mir leid«, erwiderte Julia. »Aber es ist wirklich sehr dringend.«
    »Was ist so dringend? Sie sagten, es ginge um meinen Mann. Es handelt sich doch sicher nicht um etwas so Weltbewegendes, daß es nicht auch bis morgen Zeit gehabt hätte?«
    Evelyns Sarkasmus ließ Julia vor Zorn erblassen. »Lady Western«, begann sie mit betont ruhiger Stimme, »Ihr Mann hat mich Anfang des Jahres hierhergebeten, um mir einen Job anzubieten. Eine eigene Serie, die ›Enthüllungen‹. Für mich die Chance meines Lebens. Wir haben in diesem Raum zusammengesessen und mit Champagner darauf angestoßen. Ich bin sicher, Sie erinnern sich.«
    Evelyn Western nickte. »Natürlich. Ich erinnere mich sehr gut.«
    »Die Sache hatte jedoch einen Haken – es gab eine Bedingung. Ich mußte mich verpflichten, Harold King als Übeltäter zu entlarven und öffentlich bloßzustellen.«
    »Ja«, bestätigte Evelyn gelassen. »Stimmt genau.«
    »Ich habe mich dazu bereit erklärt«, fuhr Julia fort. »Ich habe Ben Harris überredet, mit mir zusammenzuarbeiten. Aufgrund unserer Nachforschungen, aufgrund dessen, was wir entdeckt haben, ist eine Frau namens Jean Adams getötet worden.«
    »Ich weiß. William hat mir davon erzählt.« Lady Westerns Blick war kühl und leer.
    »Hat er Ihnen auch erzählt, was man der Frau angetan hat und weshalb?« fragte Julia. »Sie war eine alleinstehende, ältere Witwe. Und sie war die Nichte von Kings erster Frau. Seiner Frau hat King in volltrunkenem Zustand gestanden, daß er im Zweiten Weltkrieg mehrere britische Kriegsgefangene erschossen hat. Nicht sehr viel später hat er versucht, seine Frau umzubringen. Aber sie hatte bereits ihrer Nichte Jean Adams von dem Geständnis erzählt. Vielleicht wissen Sie von alldem nichts? Vielleicht wollte Lord Western Ihnen die Details ersparen?«
    Evelyn Western antwortete nicht. Sie saß regungslos in ihrem Sessel, die Hände im Schoß gefaltet. Julia geriet nun erst richtig in Fahrt. Sie stand auf und ging rastlos in dem Raum auf und ab, während die Frau im Sessel sie schweigend beobachtete.
    »Wir haben Jean Adams ausfindig gemacht und ihr zugeredet, eine eidesstattliche Erklärung abzugeben. Wir ahnten nicht, daß man uns überwachen ließ und daß Mrs. Adams' Telefon abgehört wurde. In der Nacht, bevor sie die Erklärung unterzeichnen wollte, ist ein Unbekannter in ihr Haus eingedrungen. Er hat sie vergewaltigt, Lady Western, eine beinahe siebzigjährige Frau – und hat sie dann erschlagen.

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