Die Entlarvung
geben ein gutes Team ab, gestand sie sich ein. Und jetzt, wo Daddy nichts mehr dagegen hat … Glücklich überließ sie sich ihren Träumereien.
»Ja«, wies Ben seine Sekretärin an, »stellen Sie Lucy durch.« Sobald er die Stimme seiner Tochter vernahm, wußte er, daß etwas nicht in Ordnung war. Sie weinte, während sie sprach. »Ich verliere es … Daddy, ich blute seit heute morgen …«
»Bist du im Krankenhaus?« unterbrach sie Ben Harris. »Um Gottes willen, wo bist du, Lucy?«
»Ich bin zu Hause«, schluchzte sie. »Ich war in der Praxis, aber sie haben mich wieder weggeschickt. Sie haben mir gesagt, daß ich mich hinlegen solle, weil die Blutung dann wahrscheinlich aufhören würde … Hat sie aber nicht. Sie wird immer stärker, und ich habe Schmerzen. Ich habe noch einmal in der Praxis angerufen, aber mein Arzt ist gerade bei einem Notfall. Ein anderer Arzt will nach mir sehen, sobald er Zeit hat. O Gott, ich habe solche Angst.«
»Hast du deine Mutter angerufen?«
»Sie ist mit meinem Stiefvater verreist«, jammerte Lucy. »Sie besuchen seine Mutter. Dad, ich weiß nicht, was ich machen soll … Wenn ich mein Baby verliere …« Sie brach in hemmungsloses Schluchzen aus.
Ben Harris zwang sich, ruhig zu bleiben. »Lucy, mein Liebes, beruhige dich, bitte. Nimm dich zusammen und hör mir zu. Ich nehme das nächste Flugzeug und komme zu dir. Gib mir die Nummer der Praxis. Wenn du ins Krankenhaus eingewiesen wirst, komme ich direkt dorthin. Lucy, ich weiß, wie schlimm das für dich ist. Aber solche Dinge passieren nun mal. Du wirst lernen, damit umzugehen. Das versichere ich dir.«
»Ich konnte sogar schon fühlen, wie es sich bewegt hat«, sagte sie weinend. »Bitte, beeil dich, ja? Bitte, bitte.«
»Ich mache mich sofort auf den Weg zum Flughafen. Zur Not chartere ich eine Maschine, wenn es sein muß. Halte durch und sei nicht so verzweifelt. Ich weiß, daß alles wieder gut wird.« Er legte den Hörer auf, hob ihn sofort wieder ab und wählte Julias Nummer in ihrem Büro.
Sie meldete sich nicht. Der Anruf wurde automatisch zu ihrer Sekretärin durchgestellt.
»Miss Hamilton ist bereits außer Haus«, teilte die Frau mit. »Vor morgen früh kommt sie nicht wieder. Kann ich ihr etwas ausrichten, Mr. Harris?«
Er sah auf seine Uhr. Es war kurz vor fünf. Wenn er bis zum späten Abend keinen Flug bekam, würde er tatsächlich chartern müssen … Er durfte keine weitere Minute mehr verlieren. »Rufen Sie Miss Hamilton für mich an, und sagen Sie ihr, daß ich zu meiner Tochter fliegen mußte. Lucy geht es nicht gut. Ich kann noch nicht sagen, wann ich zurückkomme. Danke, Jenny.«
Ein Anruf bei der Inlandsfluggesellschaft ergab, daß um sieben Uhr eine Maschine nach Birmingham flog. Er hatte Glück – ein Platz war noch frei. Zehn Minuten später befand er sich bereits auf der Autobahn zum Flughafen.
»Meine liebe Julia«, sagte Evelyn Western bestimmt, »heute abend kann ich Sie unmöglich empfangen. Ich bin zum Essen verabredet.«
»Dann warte ich auf Sie, bis Sie zurückkommen«, verkündete Julia. »Ich bin bereits auf dem Weg zu Ihnen.«
»Ich bestehe auf einer Erklärung, was es so Dringliches gibt«, verlangte Evelyn. »Wenn mein Mann hier wäre, würden Sie mich bestimmt nicht so bedrängen.«
»Nein«, gab Julia zu. »Dazu gäbe es dann keinen Anlaß. Lady Western, es tut mir leid, Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten, aber mir bleibt keine andere Wahl. Sie haben mich darum gebeten, Ihrem Mann zu helfen. Deshalb muß ich Sie sehen und mit Ihnen sprechen. Ich bin gleich bei Ihnen.«
Sie unterbrach die Verbindung. Evelyn Western hatte es zunächst auf die charmante Tour versucht und war dann sehr kühl geworden, als Julia sich nicht hatte abwimmeln lassen. Sollte man sie nicht einlassen, würde sie so lange vor der Tür stehenbleiben, bis Lady Western sich eines Besseren besann. Aber so weit würde es sehr wahrscheinlich nicht kommen. Evelyn war eine starke, entschlossene Frau, die ihren Mann liebte und alles für ihn tat. Sie würde Julia empfangen und sich anhören, was sie zu sagen hatte. Danach würde William Western seine Südamerikareise abbrechen, da war sie sicher.
Julia fuhr schneller als sonst. Der Wunsch, sich der Auseinandersetzung zu stellen und endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen, beflügelte sie. Zu viele Lügen, zu viele ungesühnte Verbrechen hielten sie wie in einem dichten Spinnennetz gefangen. Es war an der Zeit, die Fäden zu entwirren und sich zu
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