Die Entlarvung
Ein paar Dinge sind gestohlen worden, damit es nach einem Raubüberfall aussah.«
»Wie furchtbar«, murmelte Evelyn Western. »Davon habe ich nichts gewußt.«
»Nun, zumindest Ihrem Mann waren die Vorfalle bekannt. Und Sie selbst haben mir bei unserem gemeinsamen Mittagessen gesagt, daß Sie es verstehen könnten, wenn ich nach alldem, was der armen Frau widerfahren sei, aus der Sache aussteigen wolle. Ihre eigenen Worte – oder etwa nicht?«
»Wenn Sie es sagen. Sie sollten sich nicht unter Druck gesetzt fühlen, das war alles.«
»Oh, ich bitte Sie.« Julia hob abwehrend die Hände. »Verkaufen Sie mich nicht länger für dumm. Sie haben mich angefleht, Western International zu retten und Harold King auf den Fersen zu bleiben. Das Verrückte daran ist nur, daß Sie mir gar nicht mit Ihrer Mitleidstour hätten kommen müssen. Ich fühle mich für Jean Adams' Tod verantwortlich und werde erst dann Ruhe finden, wenn ich Harold King zur Strecke gebracht habe. Ich bin gerade aus Jersey zurückgekommen. Ich habe mich dort mit Richard Watson getroffen.«
Evelyn Western verzog keine Miene, gab nichts preis. Nur ihre schmalen Hände schienen sich ein wenig mehr zu versteifen.
»Watson hat mir von dem jungen, wehrlosen Deutschen erzählt, den Ihr Mann niederstechen wollte. King hat vor zehn Jahren davon erfahren und versucht, Ihren Mann damit zu erpressen … gerade als er zum Lord ernannt werden sollte. Die Geschichte hätte Ihren Mann ruiniert. Deshalb hat er klein beigegeben und gleichzeitig Ben Harris von seinen Nachforschungen zurückgezogen. Die Welt sollte nicht erfahren, daß er selbst kaum besser als ein Mörder war.«
Erregt sprang Evelyn Western auf. »Wie können Sie so etwas behaupten! Wagen Sie es nicht, meinen Mann zu beschuldigen!«
»Der Deutsche war Harold King«, fuhr Julia unbeirrt fort. »Er hat die Beherrschung verloren und die armen Teufel niedergeschossen, weil Ihr Mann ihn beinahe ermordet hätte … Jean Adams ist völlig umsonst gestorben, weil Ihr Mann dort gewesen ist … Er wußte längst, was geschehen ist. Wahrscheinlich hat er gehofft, daß ich King entlarve, ohne ihn selbst mit hineinzuziehen. Sie hätten Richard Watson ein Schweigegeld zahlen sollen … Ich wette, Sie haben es versucht …« Zitternd vor Erregung hielt sie inne. »… Ich sollte all dies nicht Ihnen, sondern ihm selbst direkt ins Gesicht sagen. Aber er weilt ja in Brasilien, um sein Imperium zu vergrößern.«
Langsam wandte Evelyn Western sich ab. Sie ging zu einem Servierwagen, der am anderen Ende des Zimmers stand, und schenkte sich einen kleinen Brandy ein. Dann trat sie erneut an Julia heran.
»Sie Närrin«, stieß sie aus. Ihre blauen Augen funkelten. »Sie selbstgerechte, überhebliche Närrin. Sie spielen sich hier als Richterin auf und befinden William für schuldig. Aber jetzt hören Sie mir mal gut zu. Sie haben recht mit der Erpressung. King hat Kontakt zu Watson aufgenommen … diesem schwachen Menschen … Wie er das zuwege gebracht hat, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls konfrontierte King uns eines Tages mit einer Tonbandaufzeichnung von Watsons Geschichte. Eine recht einseitige Version der Ereignisse mit Watson als edlem Helden. Ich habe jemanden nach Jersey geschickt, der mit ihm sprechen sollte. Aber es hatte keinen Sinn. Der Mann ist ein solcher Prinzipienreiter. Er fühlte sich verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, sollte ihn jemand danach fragen. Selbst wenn mein Mann dadurch in den Ruin getrieben würde. William mußte Harris zurückziehen und King laufenlassen, er hatte keine andere Wahl. Und King hat inzwischen seine Position ausgebaut und will uns nun endgültig vernichten. Sie sind sehr clever, Julia, und haben vieles herausgefunden. In einem aber irren Sie sich. Der Deutsche, der von Williams Truppe gefangengenommen worden ist, war nicht Harald King. Es handelte sich um einen Automechaniker aus Straßburg. Er ist letztes Jahr an einem Herzinfarkt gestorben.«
Sie trank ihren Brandy aus. »Sie hatten es so eilig, William anzuklagen, nicht wahr? Wenn er gewußt hätte, daß King sich des Mordes schuldig gemacht hat, hätte er doch etwas gegen ihn in der Hand gehabt. In dem Fall hätte er sich mit Leichtigkeit gegen die Attacken dieses Mannes wehren können. Soviel zu Ihrer Theorie.« Sie setzte sich wieder, schlug die Beine übereinander und ließ ihren Blick auf ihren eleganten schwarzen Schuhen ruhen. »Natürlich können wir die Identität des Mechanikers nachweisen. Er hat
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