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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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keine Rolle zu spielen.
    Bevor sie bestellten, fragte Felix: »Wollen Sie über den Fall sprechen? Oder haben Sie für heute genug von blutigen Schauergeschichten?«
    Julia schüttelte sich. »Mehr als genug. Das Ganze war ein absoluter Alptraum. Ich konnte mir keinerlei Gefühle erlauben, sonst hätte ich diese Interviews oder die gerichtlichen Untersuchungen nicht durchgestanden. Allein der Wunsch, den Täter gefaßt zu sehen, hat mich bei der Stange gehalten. Jetzt hoffe ich, daß ich die Sache allmählich vergessen kann. Ich muß es zumindest versuchen. Ich habe keine Nacht mehr durchgeschlafen, seit ich in das Dorf gefahren bin«, gab sie zu.
    »Das überrascht mich nicht. Lassen Sie uns eine Flasche Wein bestellen – um auf andere Gedanken zu kommen. Dem Gerede im Büro nach sind Sie der neue Star der Redaktion. Man feiert Sie und überhäuft Sie mit Komplimenten, aber manch einem wird das gar nicht schmecken. Ben Harris, zum Beispiel.«
    »Aber ich bin doch gerade erst am Anfang«, widersprach Julia. »Nie im Leben könnte ich ihm seine Position streitig machen.«
    »Er sieht das bestimmt anders«, versetzte Felix. »Ich wette, er hat sich mit den Ellbogen nach oben gekämpft. Warum sollten Sie es ihm also nicht gleichtun – vor allem, wenn Sie den alten Herrn hinter sich haben? Hat er Sie schon einmal zu sich nach Hause eingeladen?«
    »Einmal, noch bevor ich die Stelle erhalten hatte. Er wollte mich in Augenschein nehmen. Meine Artikel in der Yorkshire Post sind ihm aufgefallen.«
    »So scheint die Sache immer zu laufen. Aber nur, wenn er jemanden persönlich auserwählt hat. Wenn ich nur auch einmal die Chance bekäme, ihn zu treffen.«
    »Was nicht ist, kann ja noch werden«, entgegnete sie vorsichtig. Sie hatte nicht vor, mit ihm über William Western zu diskutieren. Glücklicherweise ließ Felix das Thema fallen. Er sprach über sich selbst – ohne sich groß zu loben, aber auch nicht gerade bescheiden. Er war direkt von der Universität zu der Zeitung gekommen. Er hatte Neue Geschichte und Politik studiert und konnte ein mit Auszeichnung bestandenes Examen vorweisen. In seiner Freizeit hatte er sich mit Amateurboxen beschäftigt. Lächelnd wies er auf seine Nase und berichtete, daß er bis ins Halbfinale bei den englischen Meisterschaften vorgedrungen war, daß er es aber trotzdem bei einem Hobby hatte belassen wollen. An den Wochenenden trainierte er in einem Sportclub, um sich auch weiterhin fit zu halten. »Mein Ziel ist es«, verkündete er, nachdem sie bei der zweiten Flasche Wein angelangt waren, »an die Spitze zu kommen. Eines Tages werde ich im Büro des alten Warburton sitzen.« Clive Warburton war der Chefkorrespondent in Sachen Politik und eine äußerst einflußreiche Persönlichkeit in den Westminster-Kreisen.
    »Sie sind ganz schön ehrgeizig«, bemerkte Julia. »Aber Sie haben ja noch viel Zeit.«
    »O nein, Lady. Da irren Sie sich gewaltig.« Das fröhliche Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden und hatte einer ernsten, entschlossenen Miene Platz gemacht. »Diejenigen, die meinen, alle Zeit der Welt zu haben, schaffen es nie nach oben. Ich bin ein typischer Vertreter der jungen Generation, die es eilig hat. Ich will alles, und zwar nicht morgen, sondern am liebsten gestern.« Unvermutet brach er in Gelächter aus. »Wie Sie sehen, bin ich ganz und gar karriereversessen. Um das Thema zu wechseln – Sie haben wunderschönes Haar. Ist die Farbe echt?«
    »Natürlich ist sie das«, entrüstete sich Julia. Er lächelte sie zweideutig an. »Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als mich auf ihr Wort zu verlassen …?«
    »So ist es«, bestätigte Julia fest. »Es ist schon spät, und ich bin völlig erledigt. Am besten lassen wir uns die Rechnung geben.« Sie bezahlte ihren Anteil, was er ohne Widerspruch hinnahm. »Das war ein schöner Abend. Ich hoffe, bei Gelegenheit wiederholen wir ihn einmal.«
    Sie standen vor dem Restaurant, und er blickte erwartungsvoll auf sie herab. Julia hatte eine Beziehung beendet, als sie Yorkshire verlassen hatte. Seitdem hatte es keinen Mann mehr in ihrem Leben gegeben. »Warum nicht? Gerne.«
    »Können Sie mich nach Islington mitnehmen?«
    »Ja, natürlich.« Er zwängte sich in Julias kleines Auto. Er war viel zu groß und zu ausladend, um es sich auf dem Vordersitz bequem machen zu können.
    »Mein Wagen hat den Geist aufgegeben«, erklärte er. »Ich hatte auf der A10 eine kleine Auseinandersetzung mit einem Lastwagenfahrer. Leider hat der

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