Die Entlarvung
doch ein gutes Wort für mich einlegen, nicht wahr, Liebling?« Er sagte dies jedesmal, halb im Ernst, ohne jedoch tatsächlich etwas zu erwarten. Sie hatte noch nie ihre Beziehungen für ihn spielen lassen und würde es auch in Zukunft nicht tun. Er hatte seine Prinzipien, was ihre Partnerschaft betraf, und sie legte Wert auf Integrität im Beruf.
»Ich komme Sonntag mittag zurück. Wirst du hier sein?«
»Weiß ich noch nicht. Vielleicht bin ich in der Halle und spiele eine Partie Squash. Ich wünsche dir viel Spaß, Liebling. Wir gehen ein anderes Mal fischen. Bis Sonntag dann.« Als Julia die Tür hinter sich schloß, hörte sie, wie er vor Enttäuschung aufschrie. Die Deutschen mußten ein weiteres Tor geschossen haben.
Den gebrauchten Renault besaß sie schon seit langem nicht mehr. Sie fuhr jetzt einen eleganten BMW. Im Fond des Wagens hing in einer Schonhülle ihr Abendkleid, das sie bei Bruce Oldfield gekauft hatte. Sie hatte es in jungen Jahren zu etwas gebracht und scheute sich nicht, ihren Erfolg auch zu zeigen. Das Erscheinungsbild war wichtig – eine Tatsache, die sie früh gelernt hatte.
Ein attraktives Äußeres und ein entsprechendes Auftreten zählten oft mehr als alles andere; Erfolg beruhte nicht einfach nur auf Talent. Julia wußte, daß sie sich sehen lassen konnte, und war Lady Westerns Ratschlag gefolgt, den diese ihr bei der zweiten Einladung gegeben hatte: »Geben Sie ruhig etwas Geld für sich aus. Ziehen Sie sich gut an und haben Sie keine Angst aufzufallen. Man darf nicht zu zurückhaltend sein, Julia. Ich weiß noch, wie Sie zum ersten Mal hier gewesen sind. Sie Arme, Sie haben ausgesehen wie ein verschrecktes Schulmädchen, das seinen ersten Tag in der neuen Klasse verbringt …« Sie lächelte verständnisvoll. »Aber jetzt sind Sie jemand – eine Persönlichkeit, die man kennt. Machen Sie das Beste daraus. Ich würde Ihnen gerne behilflich sein, wenn es Ihnen recht ist. Mit Kleidung kenne ich mich aus. Sagen Sie nur William nichts davon. Er behauptet sonst noch, daß ich zu dominant sei.«
Sie hatte Julia in verschiedene Boutiquen eingeführt und dezent einige Vorschläge gemacht. Es war nicht zu übersehen, mit wieviel Freude sie bei der Sache war. Nicht einen Augenblick hatte Julia das Gefühl, herablassend behandelt zu werden. Einmal hatte Lady Western sich nach ihr umgedreht und mit strahlenden blauen Augen verkündet: »Sie können sich nicht vorstellen, was für einen Spaß mir das macht. Wir haben ja keine Tochter.«
Taktvoll wie sie war, hatte sie sich schließlich zurückgezogen, um Julia die Wahl nach ihrem eigenen Geschmack zu überlassen.
Der Weg nach Hampshire war Julia mittlerweile bestens vertraut. Sie verließ die Autobahn und fuhr durch die abgelegene ländliche Gegend. Vor der Zufahrt zu dem Anwesen verlangsamte sie ihr Tempo, bremste wegen der Straßenschwellen und kam schließlich in dem Halbkreis vor dem Haus zum Stehen. Seit ihrem letzten Besuch war offensichtlich ein neuer Butler eingestellt worden. Western war ein strenger Arbeitgeber, der nicht lange fackelte. Das Personal in seinem Haushalt wechselte ebenso häufig wie in seinem Unternehmen. Oder besser gesagt in seinen Unternehmen. Er leitete eine Hotelkette der Mittelklasse, eine Investmentbank in London und war an Bergbaugesellschaften in Brasilien und West-Afrika beteiligt. Außerdem besaß er drei kommerzielle Radiosender und einen Midlands-Fernsehkanal.
Julias Koffer und ihr Kleid wurden von einem Dienstmädchen nach oben auf ihr Zimmer gebracht. Der Butler, ein Philippiner, teilte ihr mit, daß Lord Western sie in seinem Arbeitszimmer erwartete. Zu Julias Enttäuschung war Lady Western nirgendwo zu sehen. Mit Western verband sie das Geschäft, die Karriere. Rein menschlich war dieser ein Eisberg, Evelyn dagegen betrachtete sie als Freundin.
William Western war in eine Lektüre vertieft, als sie eintrat. Er sah auf, lächelte flüchtig und befahl dem Butler: »Whisky und Soda für mich, einen Wodka mit Eis für Miss Hamilton. Hallo, Julia. Hatten Sie eine angenehme Fahrt? Ich habe Ihren schnittigen Flitzer vorfahren sehen, die Kieselsteine sind ja nur so gespritzt. Setzten Sie sich – dort drüben, bitte. Wie geht es Ihnen? Sie sehen gut aus.« Sie hatte sich mittlerweile daran gewöhnt. An die Fragen, auf die keine Antwort erwartet wurde. Sie setzte sich ihm gegenüber. Er wies seine Gäste sogar an, wo sie sitzen sollten. »Wie ich höre, hatten Sie noch eine andere Verabredung?«
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