Die Entlarvung
meldeten sich seine Kinder nur noch einmal im Jahr mit einer Weihnachtskarte – Ben ging der Beruf über alles.
Jeden neuen Kollegen hatte er mit Neid und Mißtrauen betrachtet. Er fürchtete sich einfach zu sehr davor, einmal abgelöst zu werden. Auch Julia Hamilton hatte er den Erfolg geneidet, der ihr nach den Berichten über die Rhys-Morde zuteil geworden war.
Er war neidisch gewesen, hatte sie aber – tief in seinem Herzen – auch für ihr Talent und ihren Mut bewundert. Sie war ein nettes Mädchen, das mußte er zugeben. Der Erfolg war ihr nicht zu Kopf gestiegen, hatte ihr natürliches Wesen nicht verdorben. Er erinnerte sich noch daran, was er zu ihr gesagt hatte, als sie aus Wales zurückgekommen war. Sie hatte grau und mitgenommen ausgesehen. Western hatte das Äußerste von ihr verlangt, indem er sie mit dem Mord an zwei hilflosen Kindern konfrontiert hatte. »Der Fall hat an Ihnen gezehrt, man sieht es Ihnen an.« Er war verstimmt und ärgerlich gewesen, weil Julia so viel zugemutet worden war.
Ben hatte selbst eine Tochter, wenn er sie auch kaum sah. Er konnte sich vorstellen, welches Leid die Morde erzeugt hatten, mit welchen Abgründen sich Julia hatte auseinandersetzen müssen. Trotzdem aber glaubte sie immer noch an das Gute im Menschen. Ben beschloß, ihr zu helfen. Sie hatte es verdient.
Eine Zeitlang hatten sie ein recht freundschaftliches Verhältnis zueinander gehabt. Bis sie sich mit diesem Taugenichts Sutton eingelassen hatte. Er war daraufhin eine ganze Weile übel gestimmt, pingelig und leicht erregbar gewesen. Er verstand die Frauen einfach nicht. Das hatte zumindest seine Ex-Frau immer behauptet. Und er hatte nicht widersprochen, sondern war in die Kneipe oder in sein Büro verschwunden.
Seine Reden hatten Julia nicht von ihrem neuen Auftrag abgeschreckt, soviel stand fest. Sie war erschrocken – das hatte er gesehen –, aber immer noch entschlossen.
Bald schon würde King Wind davon bekommen, daß sich jemand nach ihm umhörte und sich für seine Vergangenheit interessierte.
Ben bestellte sich noch einen Scotch. »Wenn an Ihrer Geschichte wirklich etwas dran ist, dann müssen Sie mir gerade helfen, King das Handwerk zu legen. So, jetzt haben Sie etwas, worüber Sie nachdenken können …« Und er dachte darüber nach. Den restlichen Nachmittag und den ganzen Abend, den er vor dem flimmernden Fernseher verbrachte, ohne das Programm zu verfolgen.
Er hatte nicht viel zu verlieren. Einmal hatte er bereits klein beigegeben, weil Western es so gewollt hatte. Aber durfte er Harold King jetzt einer eigensinnigen jungen Frau überlassen? Und sollte er selbst herumsitzen und müßig Däumchen drehen? Er schaltete den Fernseher ab. Das Bild zog sich zu einem kleinen, runden Punkt zusammen und verschwand schließlich ganz. Ben erhob sich aus seinem Sessel, ging ins Schlafzimmer und holte aus einem Schrank eine unbeschriftete Akte hervor.
Kapitel 3
»Wollen wir heute abend essen gehen?« fragte Julia.
Felix lächelte erfreut. »Gute Idee. Wer bezahlt? Ich habe mir einen neuen Anzug und ein paar Hemden gekauft und bin leider pleite.«
»Ich bezahle«, sagte Julia kurz. »Deinen neuen Anzug kannst du dann gleich ausprobieren. Wir gehen zu Mario's.«
»Wirklich?« staunte Felix. »Liebling, in dem Fall mußt du die Rechnung übernehmen. Ein Orangensaft kostet dort schon zehn Pfund … Haben wir etwas zu feiern?«
»Nein«, erwiderte Julia. »Der Anlaß ist beruflicher Art. Ich möchte mir das Lokal einmal ansehen. Unser Tisch ist für neun Uhr reserviert. Ich gehe mich umziehen.«
Der Oberkellner im Mario 's war ein Freund von Ben Harris. Julia hatte mit Überraschung zur Kenntnis genommen, daß Ben eine ganze Reihe unterschiedlichster Leute kannte. Und daß er diese um einen Gefallen bitten konnte, wenn er Informationen benötigte. Über den Kellner hatte er erfahren, an welchem Abend sich King in dieser Woche im Mario 's aufhalten würde. Er führte seine Frau und seine Tochter regelmäßig in das Restaurant aus – einmal in der Woche, ein richtiges Ritual. Ein Tisch war ständig für ihn reserviert, falls er sich in letzter Minute zu einem Besuch entschließen sollte. Nach Harris' Informationen bestellte er immer das gleiche Menü: Zu Beginn Foie Gras, gefolgt von Steak Diane und als Dessert Bombe Surprise. Seine Frau und seine Tochter tranken einen Clairet für einhundertzwanzig Pfund die Flasche, einen Château Pichon-Longueville sowie einen Weißwein zum Pudding. King
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