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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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vor der Nase wegschnappen könnte.
    Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. King besaß ein erstaunliches Einfühlungsvermögen, das man ihm bei seinem ungeschlachten Äußeren gar nicht zugetraut hätte. Intuitiv erfaßte er, was andere Personen dachten, was in ihnen vorging. Auch deshalb besaß er Macht – weil er wußte, wie die Menschen funktionierten.
    Julias Verachtung, ihre Feindseligkeit waren deutlich spürbar in dem Blick, den sie ihm zuwarf. Er registrierte ihre Reaktion auf ihn und versuchte, sie durch hartnäckiges Anstarren einzuschüchtern. Aber sie hielt seinem Blick erstaunlich lange stand. Als sie schließlich den Kopf abwandte, drückte diese Geste erneut Verachtung, nicht etwa Unterwerfung, aus.
    Er trank sein Mineralwasser aus und sah sich suchend nach dem Kellner um. Ja, dachte er bei sich, ich werde dich einstellen. Ich werde dir ein Angebot machen, das du gar nicht ablehnen kannst. Und dann zerbreche ich dich. Wie ich andere zerbrochen habe, die sich mir in den Weg gestellt haben. Und ich werde meine Freude daran haben.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den ersten Gang, der ihm serviert wurde, und verbannte Julia Hamilton aus seinen Gedanken. Seine Frau erzählte von den trivialen Aktivitäten irgendeines Wohltätigkeitsvereins. Er machte sich nicht die Mühe, ihr zuzuhören. Er verachtete sie, wie sie sich um die Gunst der feinen Gesellschaft bemühte. Ihr war anscheinend nicht klar, daß sich die High-Society-Ladies nur für das Geld interessierten, das Frauen wie Marilyn dank ihrer Ehemänner einbringen konnten. Und für das sie trotz allem nur mit Herablassung behandelt wurden. Geld war der Schlüssel zu allem. Es war ihm egal, wenn Marilyn sich mit ihren dümmlichen Ambitionen lächerlich machte. Nur seine Tochter durfte in diese Farce nicht mit hineingezogen werden. Zum Glück hatte sie für die Zeitverschwendungen ihrer Mutter nicht das geringste übrig. Er betrachtete sie wohlgefällig. Sie war sein Abbild. Sie sah so aus wie er und bemühte sich mit aller Kraft, auch so zu sein wie er. Sie entschädigte ihn für den Sohn, den er nie gehabt hatte. Sie war sogar besser als ein Sohn, gestand er sich ein. Ein Sohn hätte womöglich versucht, mit ihm zu konkurrieren. Seine Tochter dagegen betete ihn an. »Wie schmeckt dein Foie Gras?« erkundigte er sich.
    Sie lächelte ihn an. »Köstlich, Daddy.«
    Die Niederlage gegen die rothaarige Frau nagte noch an ihm. Daher fuhr er fort: »Du langweilst dich hoffentlich nicht, Darling?«
    »O nein«, antwortete seine Tochter. »Alles ist wunderbar. Du weißt, wie gerne ich mit dir ausgehe.«
    Er beugte sich vor und tätschelte ihre Hand. »Du bist mein gutes Mädchen.« Provokativ wandte er sich an seine Frau. »Das ist sie doch, nicht wahr?«
    Die hübsche Puppe nickte mechanisch. »Ja, Harry, Liebling.« Er wußte, daß sie es aufgegeben hatte, mit Gloria um seine Gunst zu feilschen. Und er wußte auch, daß die beiden sich haßten.
    Ein Sohn hätte sich vielleicht mit der Mutter verbündet, sagte er sich immer wieder.
    »Gutes Essen«, bemerkte Felix. Julia hatte die ganze Zeit kaum mit ihm gesprochen. Seine Verärgerung wuchs. Sie hatten ein exzellentes Mahl genossen. Und dazu einen außergewöhnlichen Wein getrunken. Er hatte darauf bestanden, ihn von der Karte zu bestellen. Der Preis brauchte sie nicht zu kümmern, Western zahlte doch schließlich. Julia war das nicht recht gewesen.
    Aber warum mußte sie sich so aufspielen? Was sollte all diese Entrüstung, nur weil King einen kleinen Kellner unhöflich behandelt hatte … Der Mann führte sich doch immer so auf, wenn er in der Öffentlichkeit war. Imagepflege nannte man so etwas. Er war überrascht, daß Julia den Vorfall so kraß überbewertete.
    »Trinken wir unseren Kaffee. Ich möchte zahlen«, sagte Julia.
    »Ich hätte gerne noch einen Brandy«, verkündete Felix. »Oder hast du irgendwelche moralische Bedenken – wegen der Rechnung, meine ich?«
    »Bestell dir, was du möchtest«, entgegnete sie knapp. Sie hatte keine Lust, sich von diesem verwöhnten Kind provozieren zu lassen.
    »Okay – also, Armagnac wäre nicht schlecht«, entschied er, nachdem er die Karte überflogen hatte. »Den 68er nehme ich.«
    »Und für Madame?« erkundigte sich der Kellner.
    »Für mich nichts, danke.« Sie wollte jetzt nur noch nach Hause. Der ganze Abend hatte ihr mißfallen, und daran war nicht nur Harold King schuld. Felix ging erneut zum Angriff über.
    »Mein Vater ist

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