Die Entlarvung
wie einen eigenen Sohn behandelt hatte und nur wenige Monate nach der Ankunft in England an Krebs gestorben war. Sie hinterließ König einige hundert Pfund, auf denen dieser sein Imperium aufbaute.
Das Buch war nach der üblichen Masche gestrickt; es drückte einerseits gewaltig auf die Tränendrüsen, andererseits wurde der Held maßlos verherrlicht. Mit der kleinen Hinterlassenschaft seiner Wohltäterin kaufte King, wie er sich nun nannte, Restbestände an Büchern auf und besorgte sich einen Lastwagen. Er spürte, daß die Menschen ihrem Alltag entfliehen wollten. Sie hatten ihr elendes Dasein satt und hungerten nach Unterhaltung.
Bücher standen daher hoch im Kurs, und genau damit hatte King gerechnet. Er reiste durch die Lande, verkaufte direkt aus seinem Lastwagen und kaufte neue Bücher an, so viele er nur auftreiben konnte. Nach einer Weile eröffnete er eine kleine Sortimentsbuchhandlung, aus der bald eine ganze Kette von Läden wurde. Dann erwarb er eine Druckerei und hatte schließlich Anfang der 60er Jahre genügend Geld beisammen, um einen kleinen Verlag zu kaufen, der an seinem zu anspruchsvollen Programm und unbekannten Autoren bankrott gegangen war. King hatte das ganze Sortiment einstampfen lassen. In der Biographie wurde dieser vandalische Akt natürlich so dargestellt, als hätte es sich um einen genialen Schachzug gehandelt. King hatte dann neue Autoren verpflichtet und die Ära der King-Publikationen ins Leben gerufen. »Ich verkaufe den Menschen Träume«, lautete das weithin bekannte Zitat, »weil ich selbst einmal einen Traum besessen habe. Einen Traum, den ich wahr gemacht habe.«
Ben hatte die offizielle Darstellung durch ein paar eigene Anmerkungen ergänzt.
Kings Autorenteam spezialisierte sich auf Kriminalromänchen. Billig herzustellen, billig zu verkaufen. Sensationsträchtige Massenprodukts, die Gewalt und Sex verherrlichten. Die Bücher brachten King ein Vermögen ein. Er brüstete sich mit seinem Erfolg, belächelte seine Kritiker und weitete sein Angebot auf Soft-Porno-Magazine aus.
Dies alles war nichts Neues. Harris berichtete jedoch auch über die weniger bekannten Umstände, die zu Kings Imperium geführt hatten. So hatte King dem idealistischen Besitzer des kleinen Verlags Geld geliehen, damit dieser seinen literarischen Standard aufrechterhalten konnte. Und dann hatte King ohne Vorwarnung sein Geld zurückgefordert.
Der Mann hatte seinen Verlag verloren und war wenige Jahre später völlig verarmt gestorben. Niemand hatte sich je die Mühe gemacht, das Schicksal dieses Verlegers näher zu untersuchen.
King indessen spezialisierte sich auf diese Methode und verfeinerte sie über die Jahre. Er besaß einen sechsten Sinn für Unternehmen in Schwierigkeiten. Er stöberte sie auf wie ein Raubtier, das Blut gerochen hatte, kaufte sich über Strohmänner ein, übernahm sie, wenn die Zeit reif war, und verwandelte sie in gewinnabwerfende Betriebe, die er entweder weiterverkaufte oder seinem Konzern eingliederte. Im Verlauf von fünfundzwanzig Jahren hatte er es zu einem riesigen Verlag gebracht, er war der Herausgeber zweier Magazine, die monatlich in London erschienen, und besaß größere Anteile an einem privaten Fernsehsender der Midlands. Außerdem gehörten ihm Immobilienfirmen und ein Bauunternehmen, das Aufträge im Mittleren Osten übernahm.
Als nächstes – so seine lautstarken Ankündigungen – strebte er an, eine überregionale Zeitung herauszubringen.
Mit Vierzig hatte er ein hübsches Model aus dem Showbusineß geheiratet und die Welt wissen lassen, daß er von nun an ein Familienmann sein würde. Die unzähligen Affären, die er vor den Augen der Öffentlichkeit gehabt hatte, hörten mit einem Schlag auf. Es erschienen keine Bilder mehr, die King mit ständig wechselnden ›Begleiterinnen‹ auf Gesellschaften und Partys zeigten.
Von anderen Frauen wurde nicht einmal mehr im Flüsterton gesprochen. King wurde nur noch als treuergebener Ehemann und später als der rührend besorgte Vater der kleinen Gloria dargestellt. Das glückliche Ende einer Geschichte, die mit einer herzensguten englischen Lady und einem elenden Flüchtlingslager im zerstörten Deutschland begonnen hatte. Hans König, der namenlose, hoffnungslose, junge Mann, dessen schweres Schicksal die englische Dame zu mildern versucht hatte. Als er nach ihrem Tod allein und ohne Freunde in England zurückgeblieben war, hatte er sich geschworen, das Vertrauen seiner Wohltäterin nicht zu
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