Die Entlarvung
Weinhändler gewesen. Er verstand viel vom Wein, aber wenig vom Geschäft. Er hat mir eine Vorliebe für Champagner hinterlassen, dazu ein Vermögen, das gerade einmal für Bier reicht. Was, zum Teufel, ist los mit dir, Julia? Du bist den ganzen Abend so schlecht gelaunt gewesen. Welche Laus ist dir über die Leber gelaufen?«
Sie rührte langsam ihren Kaffee um, legte dann den Löffel vorsichtig auf die Untertasse. »Es liegt an dir, Felix. Ich glaube, ich komme mit deiner Art nicht besonders zurecht. Sie gefallt mir nicht.«
Über seinen Hals und sein Gesicht breitete sich eine dunkle Röte aus. »Wie darf ich das verstehen, bitte?«
»Wie du möchtest«, erwiderte Julia. »Komm, laß uns jetzt nicht streiten. Ich frage nach der Rechnung.«
»Ich habe mein Glas noch nicht ausgetrunken«, rief Felix laut. »Außerdem möchte ich noch etwas bestellen.«
»Mach, was du willst«, sagte sie leise. »Aber was du jetzt bestellst, mußt du selbst bezahlen.« Sie unterschrieb die Rechnung und schob ihren Stuhl zurück. »Bis später.«
»Wenn du Glück hast«, stieß er hervor. »Danke für einen lausigen Abend.«
Der Oberkellner trat an Julia heran. Er hatte die angespannte Stimmung zwischen den beiden Gästen bemerkt und beobachtet, wie unfreundlich der Abschied verlaufen war.
»Ich hoffe, Sie haben Ihren Aufenthalt bei uns genossen«, sagte er.
»Ja, sehr, danke«, antwortete Julia.
»Kann ich Ihnen ein Taxi bestellen?«
»Ich fahre mit meinem Wagen.« Jemand reichte ihr ihren Mantel, den sie sich um die Schultern legte. Philippe begleitete sie zur Tür.
»Grüßen Sie Mr. Harris von mir. Es wäre schön, wenn wir ihn bald wieder einmal bei uns sehen würden.«
»Ich richte es ihm aus«, versprach Julia. Dabei konnte sie sich Ben Harris ganz und gar nicht in einem Restaurant wie diesem vorstellen. Vielleicht, weil sie einfach zu wenig von ihm wußte. Sie fuhr nicht direkt nach Hause, sondern umkreiste den Hyde Park und machte dann einen Abstecher an die Themse. Leider war es zu gefährlich, das Auto stehenzulassen und spazierenzugehen. Sie wollte nicht in ihre Wohnung zurückkehren. Sie mußte erst noch ein wenig nachdenken.
Das Verhältnis zu Felix hatte sich geändert. Am Anfang war ihre Beziehung glücklich, sehr körperlich und dabei sorglos und ohne Zwänge gewesen. Wie eine leidenschaftliche Freundschaft. Über die paar Jahre Altersunterschied hatten sie hinweggesehen – ebenso wie über ihre ungleichen finanziellen Verhältnisse. Er hatte darüber gelacht, daß er als ihr Spielzeug bezeichnet wurde. Und sie hatte – wie ihr jetzt bewußt wurde – begonnen, ihn wie das verwöhnte Kind zu behandeln, als das er sich gerne ausgab. Nur, daß er kein Kind war, sondern ein ehrgeiziger, selbstsüchtiger, rücksichtsloser Mann mit einem Talent für Sex.
Plötzlich fühlte Julia, wie ihr – dummerweise – die Tränen in die Augen traten. Es konnte so nicht weitergehen. Es war erniedrigend – für sie beide. Sie liebte ihn nicht, soviel stand fest. Aber die Wahrheit war noch schlimmer. Er gefiel ihr nicht einmal mehr. Und sie hatte es ihm sogar ins Gesicht gesagt. Sie mußte alldem ein Ende bereiten. Entschlossen wischte sie sich die Tränen von ihrem Gesicht und ließ den Motor an. Als sie zu Hause ankam, fand sie die Wohnung in völliger Dunkelheit vor. Felix war weggegangen, verbrachte die Nacht bei irgendeinem Freund. Am nächsten Morgen würde er wahrscheinlich wieder auftauchen, sich aufs Bett werfen und so tun, als sei nichts gewesen. Er blieb nicht zum ersten Mal über Nacht weg. Aber diesmal würde es das letzte Mal sein.
Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und fühlte sich plötzlich sehr erleichtert, daß Felix nicht da war. Sie schaute auf die Uhr und entschloß sich spontan, Ben Harris anzurufen.
»Ich bin es«, meldete sie sich. »Hoffentlich störe ich nicht gerade?«
»Ganz und gar nicht. Ich habe mich sowieso nur vor dem Fernseher gelangweilt«, kam die Antwort. »Wie war es heute abend?«
»King ist tatsächlich mit seiner Frau und seiner Tochter zum Essen gekommen. Er hat mir einen ziemlich bösen Blick zugeworfen.«
»Den Sie sicherlich erwidert haben«, vermutete Ben.
»Ja, aber es war nicht leicht. Der Mann ist doch sehr einschüchternd.«
Nach einer kurzen Pause fragte Ben: »Sie haben trotzdem Ihre Meinung nicht geändert?«
»Nein«, sagte sie entschlossen. »Ganz im Gegenteil. Aber Sie hatten recht, Ben. Der Mann ist mit Vorsicht zu genießen. Ich bin froh, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher