Die Entlarvung
Informationen: Im April 1950 war eine Mrs. Phyllis König mit schweren Kopfverletzungen, die von einem Sturz herrührten, in das Krankenhaus eingeliefert worden. Sie befand sich im Koma. Nachdem sie ihr Bewußtsein wiedererlangt hatte, war sie in ein privates Pflegeheim entlassen worden. Ihr Sprech- und Bewegungsvermögen war auf Dauer eingeschränkt. Die Prognosen für ihre weitere Lebenserwartung standen schlecht, da sich im Gehirn ein Gerinnsel gebildet hatte, das die Blutzufuhr beeinträchtigte. Das Pflegeheim existierte längst nicht mehr, aber zumindest wußten die Ermittler nun, wo sich Mrs. König zuletzt aufgehalten hatte – nämlich in Sussex, unweit von Midhurst.
Sie machten sich erneut auf die Suche nach einer Sterbeurkunde und hatten diesmal mehr Glück. Im Jahre 1954 fanden sie einen entsprechenden Eintrag im Sterberegister. Vier Jahre lang hatte die arme Frau noch vor sich hinvegetiert, dann war sie an einer Gehirnblutung gestorben.
Julia machte sich mit allen Einzelheiten vertraut und rief dann Ben an. Vor lauter Aufregung sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. »Wir sind einen Schritt weitergekommen, Ben. Phyllis König ist nicht 1950 gestorben. Sie hat an einer Gehirnverletzung gelitten und ist in einem Pflegeheim in Sussex gelandet. Dort ist sie vier Jahre später gestorben.«
»Wieso Sussex?« wunderte sich Ben. »Hat King versucht, sie zu verstecken?«
»Sieht ganz so aus. Heute nachmittag bekommen wir eine Kopie ihres Testaments. Ich glaube, wir sind endlich auf der richtigen Spur.«
»Es wird auch Zeit«, sagte Ben. »An deiner Stelle würde ich dem Boß aber noch nichts davon erzählen, J. Er kommt sonst gleich wieder nur mit neuen Forderungen.«
»Wie beim letzten Mal«, bestätigte Julia. »Ich habe meine Lektion nicht vergessen, Herr Lehrer. Bis heute abend – am üblichen Ort. Wann kannst du dort sein?«
Die Kneipe unweit des Bürogebäudes war zu ihrem Stammtreffpunkt geworden. Sie tranken etwas zusammen und gingen dann nach Hause, manchmal in ihre Wohnung, manchmal in Bens. Julia hatte sich mit der Katze angefreundet. Wann immer sie sich bei Ben aufhielt, saß das Tier auf ihrem Schoß und schnurrte behaglich.
Die Affäre zwischen Ben und Julia war mittlerweile allgemein bekannt. Die Kneipe wurde überwiegend von Mitarbeitern des Herald besucht, die sich daran gewöhnt hatten, daß die beiden stets unzertrennlich in einer Ecke saßen. Die dummen Sprüche und Bemerkungen hatten längst aufgehört. Man betrachtete sie jetzt als Einheit – wie andere Paare auch, die bei der Zeitschrift beschäftigt waren.
Sie verabredeten sich um halb neun und beendeten das Telefonat.
Er betrat das Lokal, entdeckte Julia und eilte zu ihr hin. Er wußte auch, was ihr Gesichtsausdruck bedeutete. Ihre Augen strahlten, ihre Wangen glühten, sie schien vor Ungeduld gleich zu platzen. Wie gut er inzwischen ihre Launen, ihre Stimmungen kannte; und nichts an ihr störte ihn. Er ließ sich neben ihr nieder. Sie hatte ihm einen Whisky bestellt.
»Heraus damit, was gibt es Neues?«
Sie öffnete ihre Tasche. »Das hier.« Sie legte eine Fotokopie des Testaments auf den Tisch, das Phyllis König, geborene Lowe, am 29. März 1950 abgefaßt hatte. Ben begann das Schriftstück zu lesen, stieß zwischendurch einen leisen Pfiff aus, überflog das Dokument erneut und legte es schließlich zur Seite.
»Sie hat ihn enterbt! Wer hätte das gedacht. Ihre Nichte ist zur Alleinerbin eingesetzt worden. Das Haus in Fulham, die Aktien, die Ersparnisse, alles. Insgesamt über hundertfünfzigtausend Pfund – in den Fünfzigern war das ein Vermögen.«
»Wir haben die Nichte ausfindig gemacht«, sagte Julia. »Sie lebt in Sussex. Deswegen war Phyllis wohl dort im Pflegeheim. Ich habe heute nachmittag mit ihr telefoniert, und sie ist bereit, sich morgen früh mit mir zu treffen. Ben, wir haben es geschafft. Nach all den Sackgassen sehen wir jetzt endlich einen Weg!«
»Wahrscheinlich sind Phyllis doch noch die Augen aufgegangen, bevor sie das Testament verfaßt hat. Sie muß endlich begriffen haben, was für einen Fehlgriff sie sich mit King geleistet hat«, vermutete Ben. »Ein paar Wochen später hat sie einen Unfall, der sie beinahe das Leben kostet. Ich nehme an, sie hat King erzählt, daß er ihr Erbe wäre, um ihn so bei Laune zu halten. Er hat dann beschlossen, sich zu bedienen, bevor sie ihre Meinung noch einmal ändert.«
»So etwas ließe sich nie beweisen«, bemerkte Julia.
»Nein, aber der Fall
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