Die Entlarvung
Lordtitel – sollte er ihn verliehen bekommen – nicht weitervererben konnte … Aber letztlich zählten ja doch nur Geld und Macht. Mit Titeln allein konnte man nichts anfangen. Gloria würde schnell von ihm lernen. Sie sah zwar schwerfällig aus, war aber sehr aufnahmefähig. Er würde ihr alles beibringen und ihr ganz allmählich einige seiner Geheimnisse anvertrauen. Sie würde sich nicht mit Skrupeln belasten. Sie wußte seit langem, daß es in der Geschäftswelt nur eine Regel gab – sich nicht erwischen zu lassen. Versonnen schmiedete er weitere Pläne für die Zukunft, kehrte dann aber abrupt in die Wirklichkeit zurück.
Die Vergangenheit war seine einzige Schwäche. Er dachte nie über zurückliegende Ereignisse nach – es sei denn, es gab einen zwingenden Grund dafür. Er bereute niemals etwas, trauerte aber auch keiner Sache nach. Nostalgisch veranlagte Menschen verachtete er. Was sein mußte, mußte sein – der Zweck heiligte die Mittel. Am wichtigsten war für ihn stets das Überleben gewesen, denn darin lag der Sinn des Daseins. Er hatte andere Männer sterben sehen – für ihn kein heroischer Akt, sondern Verschwendung. Es mußte sie wohl immer geben – die Schwachen, die vor den Starken an die Reihe kamen. Er gehörte zu den cleveren Siegern. Er hatte Phyllis Lowe benutzt; er schüttelte sich, wenn er an die sentimentale, sexhungrige Frau dachte, die auf ihre alten Tage noch einmal alles hatte nachholen wollen. Ein geborenes Opfer.
Eine haltlose Trinkerin, die sich ihr Schicksal selbst zuzuschreiben hatte. Ihretwegen hatte er die Kontrolle über sich verloren. Dafür hatte sie bezahlen müssen, wenn auch nicht die volle Strafe. Er hatte immer vorgehabt, sich eines Tages von ihr zu befreien. Die Ereignisse jener Nacht hatten die Dinge nur beschleunigt. Sie hatte von seinem Geheimnis erfahren, also mußte er handeln. Leider hatte er sie nicht hart genug gestoßen. Sie überlebte. Aber gefangen in ihrem umnebelten Gehirn, konnte sie ihr Wissen niemals preisgeben.
Ihr ganzes Vermögen hatte sie ihrer Nichte Jean Adams vermacht. Die Nichte war froh gewesen, ihn mit etwas Geld loszuwerden, also wußte sie von nichts. Und er vergaß über die Jahre einfach ihre Existenz. Er rechnete nicht damit, von der Frau eines kleinen Börsenmaklers irgend etwas befürchten zu müssen. Sorgen hatte er sich nur um die Akten in Nessenberg gemacht, um die er sich frühzeitig gekümmert hatte. Er war persönlich in Nessenberg gewesen und hatte veranlaßt, daß alle belastenden Materialien beseitigt wurden. Er war auf verständnisvolle Helfer gestoßen, Kameraden, denen ebenfalls daran gelegen war, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Deshalb glaubte er, das Kapitel Nessenberg ein für allemal abgeschlossen zu haben. Zumal er auch über Mittel verfügte, seinen Rivalen und Feind William Western aufzuhalten, sollte dieser es wagen, ihm erneut nachzustellen. Denn Western hatte sein eigenes kleines Geheimnis, das es zu hüten galt.
Aber eine Konfrontation stand unmittelbar bevor. Western hatte sich offenbar entschieden, zu einem letzten Schlag gegen ihn auszuholen. Ben Harris und Julia Hamilton, Westerns brillante Entdeckung, waren zusammen in Deutschland gewesen. Anscheinend hatten sie eine Spur entdeckt, die sie zu Jean Adams führte. Und damit zu seiner toten Frau.
Er erhob sich schwerfällig aus dem tiefen Sessel und ging zum Telefon. Wahrscheinlich hatten sie die Wahrheit über Phyllis herausgefunden, aber damit allein konnten sie ihm nichts anhaben. Die Lügen in seiner Biographie ließen sich leicht damit erklären, daß er auf den Ruf der armen Alkoholkranken Rücksicht nehmen wollte. Western mußte sich schon etwas Besseres einfallen lassen.
Er wählte Joe Patricks Nummer. »Ich möchte, daß Jean Adams' Telefon abgehört wird.«
»Wird morgen erledigt«, versprach Joe. »Die Detektei macht bei so etwas nicht mit, aber ich kenne jemanden, an den ich mich wenden kann. Was ist mit Julia Hamiltons Wohnung? Harris hält sich zur Zeit auch immer dort auf.«
»Übernehmt sie gleich mit«, verlangte King. »Und vergiß nicht, mich sofort zu informieren, wenn sich etwas Neues ergeben sollte. Vielleicht mußt du Mrs. Adams einen Besuch abstatten.«
»Geht in Ordnung, sagen Sie mir nur Bescheid«, erwiderte Joe. King legte auf. Ihm blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten. In der Zwischenzeit mußte er versuchen, auf andere Gedanken zu kommen. Es gab schließlich noch weitere Probleme, um die er sich
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