Die Entlarvung
ertragen, wenn der Vater so kühl zu ihr war. Sie fühlte sich wie ein kleines, trauriges Mädchen, das verzweifelt auf eine einlenkende Geste wartete.
King sah zu ihr auf. Dann nahm er ihre Hand und streichelte sie. »Mach dir keine so dummen Gedanken, Darling«, murmelte er. »Zum Teufel mit dem Brief! Ist doch alles egal.« Sie atmete erleichtert auf.
»Aber was ist es dann, Daddy?« insistierte sie. »Seit deiner Rückkehr aus New York bist du so verändert. Hat es mit deinen Geschäften zu tun? Laufen sie nicht gut?«
»Nicht so gut, wie ich gehofft habe«, gab er zu. »Ich muß sehr viel mehr Geld auftreiben, als ich ursprünglich angenommen hatte. Aber ich regle das schon; es braucht nur ein wenig Zeit.«
Er starrte auf den Fernseher, aus dem gerade das dröhnende Hintergrundgelächter zu einem dümmlichen Sketch erklang. Joe Patrick tat seinen Job. Er erhielt täglich Berichte von der Privatdetektei, die er sofort an King weiterfaxte.
Ben Harris war nach Midhurst gefahren, um eine Mrs. Jean Adams zu treffen. King hatte für einen Moment gedacht, sein Herz würde stillstehen, so groß war sein Schock. Jean Adams. Verschwommen sah er sie vor sich, so wie er sie vor vierzig Jahren kennengelernt hatte. Klein, aber energisch … eine Gegnerin. Phyls Lieblingsnichte. Es mußte sich um die gleiche Person handeln. In Midhurst, Sussex, hatte Phyl ihre letzten Jahre verbracht, bettlägerig und mit zerstörtem Gehirn, unfähig, sein Geheimnis preiszugeben. Jean Adams. Wie gut er sich an die Konfrontation mit ihr erinnerte – an den Augenblick, als sie ihm, zusammen mit ihrem nichtssagenden Ehemann, gegenübergetreten war und ihn mit ein paar hundert Pfund abgespeist hatte. Ihn, der nach dem Unfall hätte reich sein sollen. Aber wenigstens war er frei – frei von Phyllis, die wie ein Stein an ihm gehangen hatte. Jean Adams. Seit Jahren hatte er nicht mehr an sie gedacht. Er hatte sie aus seinem Gedächtnis gestrichen, als sei sie tot wie ihre Tante. Was sie aber nicht war. Sie lebte und hatte Ben Harris empfangen, der zuvor mit Julia Hamilton eine Reise nach Deutschland unternommen hatte.
Solange King zurückdenken konnte, hatten andere versucht, ihn auf irgendeine Weise zu diskreditieren. Ohne Erfolg. Seine Geschäfte wurden so abgewickelt, daß sie für seine Feinde nicht zu durchschauen waren. King hatte ein geradezu geniales Netz aus Mittelsmännern und zwischengeschalteten Firmen errichtet, in dem sich seine Spuren verloren. Seine kriminellen Aktivitäten fanden sowieso im verborgenen statt. Egal, ob es um Geldwäsche von Drogeneinnahmen oder um illegalen Waffenhandel ging – seine Kontakte zur Mafia, die ebenso an Anonymität interessiert war wie er, hatten ihn immer vor allzu neugierigen Schnüfflern beschützt. Bisher hatte er also nie etwas zu befürchten gehabt, sondern in aller Ruhe ein riesiges Vermögen horten können, das er im Ausland investiert und angelegt hatte.
Schweigend betrachtete er seine Tochter.
»Daddy, sag mir, was du hast«, flehte sie ihn an. »Du bist doch nicht etwa krank, oder?«
Er sah die Bestürzung in ihren Augen und lächelte beruhigend. »Ich und krank? Red keinen Unsinn. Ich habe eine Pferdenatur, du weißt das. Nein, es gibt da ein kleines Problem – nichts, was sich nicht beheben ließe. Eines Tages erzähle ich dir davon. Ich habe aber noch über etwas anderes nachgedacht. Wie wäre es, wenn du deine Stelle bei Hart Investments aufgeben und statt dessen für mich arbeiten würdest?«
Gloria errötete vor Freude. »O Daddy! Ist das dein Ernst?«
»Wieso nicht. Es wird allmählich Zeit. Du bist eine erwachsene Frau, hast ein Wirtschaftsdiplom und die fünfjährige Berufserfahrung bei Hart – worauf sollen wir also noch warten? Arbeite für mich. Eines Tages, wenn ich zu alt bin, kannst du den Chefsessel einnehmen. Was hältst du davon? Bist du einverstanden?«
Strahlend fiel sie ihm in die Arme. »Natürlich bin ich einverstanden, wenn du es bist. Aber zu alt bist du für mich nie. Nie, hast du gehört?«
»Mein Liebes, ich bin nicht unsterblich.«
»Für mich schon«, erwiderte Gloria King leise.
King blieb nachdenklich in seinem Sessel sitzen, nachdem seine Tochter den Raum verlassen hatte. Wie enthusiastisch, wie überglücklich sie auf sein Angebot reagiert hatte. Ihr fehlte ein Ehemann. Ein Mann, der sie unterstützte, aber nicht dominierte. Mit dem sie Kinder haben konnte. Der Gedanke an eine Familiendynastie gefiel ihm. Schade nur, daß er den
Weitere Kostenlose Bücher