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Die Entmündigung (German Edition)

Die Entmündigung (German Edition)

Titel: Die Entmündigung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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befand sich neben ihr zur Linken auf einem Lehnstuhl, in dem er sich wie der ›Primo‹ einer italienischen Dame niedergelassen hatte. Aufrecht, an der Kaminecke stehend, war noch eine dritte Person zugegen. Wie es der gelehrte Doktor vermutet hatte, war die Marquise eine Dame von trocknem, nervösem Temperament; ohne ihre Lebensweise hätte ihr Teint die rötliche Farbe gezeigt, die ein ständiges Sicherregen verleiht; aber sie verstärkte noch ihre falsche Blässe durch die Nuancen und die kräftigen Töne der Stoffe, mit denen sie sich umgab oder in die sie sich kleidete. Braunrot, Kastanienbraun, Schwarzbraun mit goldenen Lichtern standen ihr vortrefflich. Ihr Boudoir, dem einer berühmten Lady, damals in London in Mode, nachgebildet, war in lohefarbenem Samt gehalten; aber sie hatte noch zahlreiche Verzierungen hinzufügen lassen, deren hübsche Muster das ungewöhnlich Pompöse dieser königlichen Farbe milderten. Sie war wie eine jugendliche Person, mit zusammengefaßten Scheiteln frisiert, die das etwas längliche Oval ihres Gesichts hervortreten ließen; denn ebenso wie die runde Form unfein wirkt, ebenso wirkt die längliche majestätisch. Geschliffene Doppelspiegel, die nach Belieben ein Gesicht verlängern oder verbreitern, geben einen überzeugenden Beweis davon, wie sich dieser Grundsatz auf die Physiognomie anwenden läßt.
    Als sie Popinot bemerkte, der auf der Schwelle wie ein erschrecktes Tier stehen blieb, mit vorgestrecktem Halse, die linke Hand in seiner Tasche, die Rechte mit einem Hut bewaffnet, dessen Futter fettig war, warf die Marquise Rastignac einen Blick zu, in dem etwas von Mokanterie aufkeimte. Der ein bißchen lächerliche Anblick paßte so gut zu seiner grotesken Kleidung und seinem erschreckten Aussehen; so daß beim Anblick des betrübten Gesichts Bianchons, der sich durch seinen Onkel gedemütigt fühlte, Rastignac sich nicht abhalten konnte, mit abgewendetem Kopf zu lachen. Die Marquise grüßte mit einer Neigung des Kopfes und machte eine vergebliche Anstrengung, sich aus ihrem Fauteuil zu erheben, in den sie, nicht ohne Grazie, wieder zurücksank, wobei sie sich wegen der Unhöflichkeit ihrer gespielten Schwäche entschuldigte. In diesem Moment grüßte die Person, die zwischen dem Kamin und der Tür stand, leicht, schob zwei Stühle vor und bot sie mit einer Handbewegung dem Doktor und dem Richter an; dann, als er sah, daß sie Platz genommen hatten, lehnte er seinen Rücken wieder gegen die Wand und kreuzte die Arme. Ein Wort über diesen Mann. Es gibt heute einen Maler, Descamps, der im höchsten Grade die Kunst versteht, für das zu interessieren, was er einem vor Augen führt, sei es ein Stein oder ein Mensch. Unter diesem Gesichtspunkt ist sein Bleistift wissender als sein Pinsel. Wenn er ein kahles Zimmer zeichnet und an der Mauer einen Besen stehen läßt, so wird man, wenn er es will, erzittern: man glaubt, daß dieser Besen eben das Instrument eines Verbrechens gewesen ist und von Blut trieft; es wird der Besen sein, dessen sich die Witwe Bancal bedient hat, um den Saal zu reinigen, in dem Fualdès hingeschlachtet wurde. Der Maler wird den Besen zerzaust aussehen lassen, wie wenn es ein Mensch in Zorn wäre, er wird die Haare emporsteigen lassen, als ob es unsere eigenen bebenden Haare wären; er wird dabei zum Dolmetscher zwischen der geheimen Poesie seiner Einbildungskraft und der, die sich bei uns entwickelt. Nachdem er uns heute durch die Lebendigkeit dieses Besens erschreckt hat, wird er morgen irgendeinen andern zeichnen, neben dem eine schlafende, aber in ihrem Schlaf geheimnisvolle Katze uns versichert, daß dieser Besen der Frau eines deutschen Schusters dient, die auf den Brocken reiten will. Oder es wird irgend ein friedlicher Besen sein, an dem er den Rock eines Angestellten beim Schatzamt aufhängen will. Descamps besitzt in seinem Pinsel das, was Paganini in seinem Bogen besaß, eine mitteilbare magnetische Kraft. Man müßte nun dieses ergreifende Genie, diesen »Schick« des Bleistifts in einen andern Stil übertragen, um diesen geraden, mageren großen Mann zu malen, in schwarzem Anzug, mit langen schwarzen Haaren, der still dastand, ohne ein Wort zu reden. Dieser Herr besaß ein Gesicht wie eine Messerklinge, kalt und scharf, dessen Farbe dem Wasser der Seine glich, wenn es aufgerührt ist und Kohlen von einem gesunkenen Schiff mitführt. Er blickte zur Erde, hörte zu und überlegte. Seine Haltung war erschreckend. Er stand da wie der berühmte

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