Die Entmündigung (German Edition)
Rechnung aufstellen, aber ich möchte nur wissen, wie Sie einen solchen Haushalt von sechzigtausend Franken Rente führen konnten, und zwar seit mehreren Jahren. Es gibt viele Frauen, die in ihrem Haushalt ein solches Phänomen darstellen, aber Sie gehören doch nicht zu diesen Frauen. Sprechen Sie, Sie können doch durchaus rechtmäßige Unterhaltsmittel haben, königliche Gnadenbeweise, gewisse Hilfsmittel aus den kürzlich bewilligten Schadloshaltungen; aber in diesen Fällen wäre die Autorisation Ihres Gemahls erforderlich gewesen, um sie anzunehmen. Die Marquise war stumm geworden
»Denken Sie daran,« sagte Popinot, »daß Herr d'Espard sich vielleicht verteidigen will, sein Advokat wird das Recht haben, nachzuforschen, ob Sie Gläubiger haben. Dieses Boudoir ist neu möbliert, Ihre Zimmer haben auch nicht mehr das Mobiliar, das Ihnen im Jahre 1816 der Marquis überlassen hat. Wenn, wie Sie die Güte hatten, mir zu sagen, das Mobiliar für die Jeanrenauds teuer kam, so wird es Sie, die Sie eine vornehme Dame sind, noch mehr gekostet haben. Wenn ich auch ein Richter bin, so bin doch ein Mensch, ich kann mich täuschen, klären Sie mich auf. Denken Sie an die Verpflichtungen, die mir das Gesetz auferlegt, an die peinlich genauen Nachforschungen, die es verlangt, wenn es sich darum handelt, einen Familienvater zu entmündigen, der sich noch in der vollen Kraft seiner Jahre befindet. Deshalb werden Sie, Frau Marquise, die Einwände entschuldigen, die ich die Ehre habe, Ihnen zu unterbreiten, und über die es Ihnen leicht sein wird, mir einige Erklärungen zu geben. Wenn ein Mann wegen Irrsinns entmündigt werden soll, braucht er einen Kurator, wer soll dieser Kurator sein?«
»Sein Bruder«, sagte die Marquise.
Der Chevalier verbeugte sich. Es trat ein Moment des Stillschweigens ein, der für die fünf anwesenden Personen peinlich war. Indem er zu scherzen schien, hatte der Richter den wunden Punkt bei dieser Frau entdeckt. Popinots gutmütiges, bourgeoises Gesicht, über das die Marquise, der Chevalier und Rastignac zu lachen geneigt waren, hatte in ihren Augen seine wahren Züge gezeigt. Als sie ihn verstohlen beobachteten, bemerkten alle drei die tausend Charakteristiken dieses beredten Mundes. Der lächerliche Mensch wurde zu einem scharfsichtigen Richter. Seine Sorgsamkeit, das Boudoir zu bewerten, erklärte sich jetzt: er war von dem vergoldeten Elefanten ausgegangen, der die Uhr trug, um sich über diesen Luxus zu informieren, und hatte dabei im tiefsten Inneren dieser Frau gelesen.
»Wenn der Marquis d'Espard in China vernarrt ist,« sagte Popinot und zeigte auf die Kamingarnitur, »so freue ich mich zu sehen, daß seine Erzeugnisse Ihnen gleichfalls gefallen. Aber vielleicht ist es der Herr Marquis, dem Sie die reizvollen Chinoiserien hier verdanken«, sagte er und wies auf das kostbare Spielzeug.
Dieser geschmackvolle Spott ließ Bianchon lächeln, Rastignac erstarren, und die Marquise biß sich auf ihre schmalen Lippen.
»Mein Herr,« sagte Madame d'Espard, »anstatt der Verteidiger einer Frau zu sein, die vor die grausame Alternative gestellt ist, ihr Vermögen und ihre Kinder verloren zu sehen oder für die Feindin ihres Mannes zu gelten, klagen Sie mich noch an! Sie verdächtigen meine Absichten! Gestehen Sie, daß Ihr Verhalten eigenartig ist ...«
»Gnädige Frau,« erwiderte der Richter lebhaft, »die Untersuchung, die das Gericht bei derartigen Sachen anstellt, hätte jeden anderen Richter zu einem vielleicht weniger nachsichtigen Kritiker gemacht, als ich es bin. Glauben Sie übrigens, daß der Advokat des Herrn d'Espard sehr entgegenkommend sein wird? Wird er nicht verstehen, Absichten, die rein und selbstlos sind, zu verdächtigen? Ihr Leben wird nun ihm gehören, er wird es durchstöbern, ohne bei seinen Nachforschungen die respektvolle Ergebenheit zu bezeigen, die ich für Sie hege.«
»Ich danke Ihnen, mein Herr«, erwiderte die Marquise ironisch. »Nehmen wir einmal an, daß ich dreißigtausend oder fünfzigtausend Franken schulde, so wäre das für die Häuser d'Espard und de Blamont-Chauvry eine Bagatelle; wenn aber mein Mann nun nicht im Besitz seiner Geisteskräfte wäre, würde das ein Hindernis für seine Entmündigung bedeuten?« »Nein, gnädige Frau«, sagte Popinot.
»Obgleich Sie mich mit einer Art Schlauheit ausgefragt haben, die ich bei einem Richter nicht voraussetzen konnte, zumal die Verhältnisse so liegen, daß Freimütigkeit genügt hätte, um alles zu
Weitere Kostenlose Bücher