Die Entscheidung
gelangen, die von den Gästen selbst gelenkt wurden. Er hoffte, dass ein Kammerdiener freundlicherweise in einem der Wagen die Schlüssel hatte stecken lassen.
Die ersten Schreie kamen von der Küche her, woraufhin die Chauffeure der Limousinen fast augenblicklich erkannten, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Sie liefen auf die Haustür zu, um nachzusehen, was los war. Rapp sprang aus dem Wintergarten ins Freie und lief mit stechenden Schmerzen in der Brust quer über die Veranda. Er eilte die Stufen zur Zufahrt hinunter, wandte sich dann nach rechts und lief an den Limousinen vorbei. Der erste Wagen, an dem er vorbeikam, war ein Jaguar. Er verzichtete darauf, nachzusehen, ob der Schlüssel steckte; er brauchte ein Fahrzeug, das nicht so sehr auffallen würde, am besten ein deutsches Fabrikat. Als Nächstes sah er einen roten Mercedes, den er ebenfalls außer Acht ließ. Erst beim dritten Wagen, einem schwarzen Mercedes-Coupe, blieb er stehen. Rapp seufzte erleichtert, als sich die Tür öffnen ließ und er den Autoschlüssel im Zündschloss stecken sah.
Rapp startete den Wagen und warf einen Blick auf die Benzinuhr, deren Zeiger bei zwei Drittel des Tanks stehen blieb. Er hatte offenbar Glück. Rapp legte den ersten Gang ein, doch statt über die Auffahrt zu fahren, schlug er die entgegengesetzte Richtung über den Rasen ein. Er fuhr zur Rückseite des Hauses und blickte kurz nach rechts, um zu sehen, ob ihn jemand bemerkt hatte. Alles schien sich auf das Feuer zu konzentrieren. Die Scheinwerfer erhellten den Weg vor ihm, als er mit dem sportlichen Fahrzeug über den Rasen brauste.
Vor jeder Mission bereitete Rapp einen Fluchtplan vor – und das war auch diesmal nicht anders. Seit er in Deutschland angekommen war, hatte er alle möglichen Fluchtwege studiert. Er wusste, wo die Straßen in der Umgebung hinführten, er kannte die nächstgelegenen Bahnhöfe und Flughäfen – kurz, er war über alles informiert, was ihm eventuell helfen konnte, so rasch wie möglich zu verschwinden, wenn etwas daneben ging – und an diesem Abend war tatsächlich einiges schief gelaufen. Er konnte immer noch nicht glauben, dass man ihn dermaßen hereingelegt hatte. Rapp hämmerte mit der Faust gegen das lederne Lenkrad; er ärgerte sich über sich selbst, weil er die Warnsignale ignoriert hatte, die ihm jetzt so offensichtlich erschienen.
Er lenkte den Wagen auf einen der Gehwege, die durch den ausgedehnten Garten hinter dem Haus führten. Da fiel ihm ein, dass ihn die Überwachungskameras auf dem Dach gewiss aufnahmen – doch er wischte die Bedenken rasch wieder beiseite. Durch den Brand würden die Wachleute bestimmt längere Zeit abgelenkt sein. Er erreichte das Ende des weitläufigen Gartens und beschleunigte den Wagen über eine weite Grasfläche, über die er zu einem Reitpfad gelangte. Rapp schaltete in den dritten Gang, und wenig später in den vierten. Er war nun schon mit über 90 Stundenkilometern unterwegs und blickte auf den Kilometerzähler, um ungefähr zu wissen, wann er abbiegen musste.
Die Straße führte einen sanften Hügel hinunter und weiter zu einer kleinen Brücke, auf der man über den Bach gelangte, der den Rasen vom Wald trennte. Als der Wagen wenige Augenblicke später über die kleine Holzbrücke hinwegbrauste, waren nur wenige Zentimeter Platz zwischen den Außenspiegeln und dem Brückengeländer. Rapp ging vom Gas und hielt nach einer Abzweigung Ausschau, die den Satellitenfotos zufolge, die er studiert hatte, bald zu seiner Rechten auftauchen sollte. Wenig später erblickte er den Punkt, an dem er abbiegen musste, schaltete hinunter und brauste einen kleinen bewaldeten Hügel hinauf.
Es waren ungefähr zwei Kilometer bis zur ersten asphaltierten Straße. Rapp ging etwas vom Gas; was hätten ihm die zwanzig oder dreißig Sekunden genützt, die er hätte gewinnen können, indem er wie ein Verrückter durch den Wald brauste, wenn er am Ende gegen einen Baum geknallt wäre? Während der Wagen über die holprige Straße schaukelte, überlegte Rapp fieberhaft, welche Möglichkeiten ihm blieben. Dänemark lag keine zweihundert Kilometer nördlich von ihm, und die niederländische Grenze war im Westen ungefähr genauso weit entfernt. Rapp war nicht unbedingt scharf darauf, in eines der beiden Länder einzureisen; deren Sprache und Kultur waren ihm nicht so geläufig wie in den südlichen Ländern. Italien war zum Beispiel eine interessante Möglichkeit. Es gab da jemanden in Mailand – eine Frau,
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