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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Hermann für ein Mensch war. Sie fuhren an einigen Streifenwagen vorbei, die an der Autobahn standen. Rapp ließ Gottfried nicht aus den Augen, um sicherzugehen, dass er der Polizei kein Signal gab. Der Fahrer ließ die Hände am Lenkrad und blickte immer geradeaus. Rapp erfuhr, dass Gottfried geschieden war und allein lebte. Das Taxi gehörte ihm, und er arbeitete gerne nachts. Das gab ihm die Möglichkeit, die Tage so zu verbringen, wie es ihm gefiel. Er war außerdem ein mittlerweile trockener Ex-Alkoholiker, und er meinte, dass ihm die Nachtarbeit half, den Kneipen fernzubleiben. Das Wichtigste aber, das Rapp über ihn erfahren hatte, war, dass Gottfried Hermann schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Er hatte wegen Diebstahls zwei Jahre im Gefängnis gesessen und war nicht gerade ein Freund der Polizei. Rapp war hocherfreut, das zu hören.
    Es war fast zwei Uhr morgens, als Gottfried sagte, dass er jetzt seinen Fahrdienstleiter anrufen sollte. Es war vereinbart, dass er sich melden würde, nachdem er seinen Fahrgast nach Essen gebracht hatte. Rapp überlegte kurz. »Müssen Sie noch mal zum Flughafen zurück, oder sind Sie für heute fertig?«, erkundigte er sich.
    »Ich kann Schluss machen, wann ich will. Das Taxi gehört mir.«
    »Wäre es ungewöhnlich, wenn Sie um diese Zeit Schluss machen?«, fragte Rapp weiter.
    »Überhaupt nicht. Das wäre sowieso meine letzte Fuhre gewesen.«
    Rapp überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Gut, rufen Sie an. Sagen Sie, dass alles erledigt ist und dass Sie für heute Schluss machen.«
    Rapp sah zu, wie Gottfried an seinem Handy die Nummer wählte, und beugte sich vor, um das Gespräch mithören zu können. Die Frau, mit der Gottfried telefonierte, klang ziemlich müde und desinteressiert. Das Gespräch dauerte höchstens zehn Sekunden. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, nahm ihm Rapp das Handy ab und schaltete es aus. Er musterte Gottfried aufmerksam. »War das ihr üblicher Fahrdienstleiter?«
    »Ja«, antwortete Gottfried, ohne zu zögern. »Ich arbeite schon fünf Jahre mit der Frau zusammen.«
    Rapp lehnte sich zurück und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Das BKA war ihm offenbar noch nicht auf den Fersen. Wenn es so gewesen wäre, hätten sie bestimmt versucht, Gottfried in ein längeres Gespräch zu verwickeln. Rapp blickte auf die Landkarte auf seinem Schoß und dachte sich, dass nun der richtige Moment sein könnte, um einen Schritt weiter zu gehen. »Gottfried, waren Sie schon oft in Süddeutschland?«

7
    Als Irene Kennedy erwachte, hörte sie seltsame Geräusche, die, wie ihr sofort klar wurde, von einem Zeichentrickfilm kommen mussten. Das war ein richtiges Samstag-Morgen-Ritual geworden. Der kleine Thomas – oder Tommy, wie ihn seine Freunde nannten – war sechs Jahre alt. Die Tage, als er sie noch gerufen hatte, wenn er aufwachte, gehörten der Vergangenheit an. Seltsamerweise vermisste sie das sogar irgendwie. Morgens war er immer besonders lieb und anhänglich gewesen. Sie war im Grunde froh, dass sie eine Stunde länger schlafen konnte, aber hin und wieder hätte sie nichts dagegen gehabt, aufstehen zu müssen, zu ihm hinüberzugehen und ihn an sich zu drücken und zu küssen, bis er bereit war, aus dem Bett zu kommen. Für solche Sachen war er mittlerweile zu alt, hatte er ihr einmal gesagt. Er zeigte neuerdings einen gewissen Hang zur Unabhängigkeit, den er von niemand anderem als Irene geerbt hatte.
    Sie setzte sich auf und schwang die Füße aus dem Bett. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte 7.58 Uhr an. Irene war in vielerlei Hinsicht ein unkomplizierter Mensch; was Schlafanzüge betraf, schlief sie entweder mit einer Flanellhose oder Boxershorts und trug dazu irgendein bequemes T-Shirt, das ihr gerade unterkam. Sie war dünn, vielleicht sogar etwas zu dünn. Nicht dass sie das angestrebt hätte; es war ganz einfach so, dass sie noch nie sehr viel gegessen hatte.
    Im Badezimmer drehte sie das Wasser auf und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Nachdem sie sich das Gesicht mit einem Waschlappen und Seife gewaschen hatte, putzte sie sich die Zähne und ging dann hinunter, wo Tommy, wie nicht anders zu erwarten war, im Pyjama vor dem Fernseher hockte. Er verfolgte fasziniert, wie die Power Rangers Häuser in die Luft jagten. Irene Kennedy ging um die Couch herum und küsste ihn aufs Haar.
    »Guten Morgen, Schatz.«
    Tommy murmelte irgendetwas Unverständliches, ohne den Blick vom Fernseher zu wenden. Irene strich

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