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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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allgemeinen Bereich einen Stock tiefer aufhalten durfte.
    Wie alle anderen Behörden war auch die CIA mittlerweile familienfreundlicher geworden. An sechs Tagen in der Woche wurde eine volle Tagesaufsicht für Kinder geboten. Irene Kennedy nahm das Angebot nur am Samstag Vormittag in Anspruch, und Tommy gefiel es sehr gut. Er hatte einige der anderen Kinder näher kennen gelernt, und sie hatten jede Menge Spaß dabei, irgendwelche Dinge zu bauen und wieder zu zerstören. Irene brachte ihren Jungen zu Joanne, die am Wochenende Dienst hatte, und verkniff es sich, ihn zum Abschied auf den Kopf zu küssen; schließlich sahen seine Freunde zu. Er hatte ihr einige Male schwere Vorwürfe gemacht, als sie sich dieses unerhörte Vergehen vor den anderen Jungs geleistet hatte. Deshalb winkte sie ihm nur zu und sagte, dass sie zum Mittagessen wieder nach unten kommen würde.
    Irene Kennedy ging zum Aufzug zurück und fuhr in den fünften Stock. Im Jahr 1986 hatte Ronald Reagan die CIA ermächtigt, Terroristen, die Verbrechen gegenüber amerikanischen Bürgern begangen hatten, auch im Ausland zu verfolgen und dafür zu sorgen, dass sie in die USA gebracht wurden, damit man ihnen hier den Prozess machen konnte. Noch im selben Jahr wurde auch das Counterterrorism Center, die Anti-Terror-Zentrale, ins Leben gerufen, deren Aufgabe es war, den Kampf gegen den Terrorismus nicht nur innerhalb der CIA, sondern auch in Zusammenarbeit mit den anderen Bundesbehörden zu koordinieren. In der Geschichte der CIA war die Zusammenarbeit mit anderen Behörden, insbesondere dem FBI, nie sehr groß geschrieben worden. Dies war etwas, das es in der Form noch nie gegeben hatte – und es gab nicht wenige in der alten Garde, die dieses neue Verhältnis zum FBI als ein Zeichen dafür ansahen, dass das Ende der Welt nicht mehr fern sein konnte.
    Neben der Tür war ein schlichtes Schild mit der Aufschrift »Counterterrorism Center« angebracht. Bevor sie ihren Code eintippte, hielt Irene Kennedy kurz inne, um sich zu sammeln, und drückte dann die entsprechenden Tasten. Das Erste, was einem ins Auge stach, wenn man den Raum betrat, war der große rechteckige Konferenztisch. Die Mitte des Tischs war so weit erhöht, dass darunter eine Anlage aus Computer-Monitoren, Faxgeräten und Telefonen Platz hatte. Dieses Durcheinander in der Mitte des Zimmers war das Nervenzentrum, wo alle Fäden zusammenliefen. Dort saßen die Leute, die die verschiedenen Informationen und Aktivitäten mit den anderen Organisationen sowie den Verbündeten der USA koordinierten. Der Raum war eine Mischung aus dem Regieraum eines Fernsehsenders und einem Flughafen-Tower.
    Das erste Gesicht, das Irene Kennedy sah, war das von Tom Lee, dem stellvertretenden Leiter des CTC, der Nummer zwei hinter Dr. Kennedy. Lee sprach gerade mit zwei Mitarbeitern, die mit dem Fall Hagenmüller zu tun hatten. Als er sie sah, beendete Lee das Gespräch und kam Irene entgegen. Auf halbem Weg deutete er mit einer Kopfbewegung auf ihr Büro.
    Die beiden trafen sich vor der Tür zu Irenes Büro, und Lee sah sie mit einem Blick an, der ungefähr so viel bedeutete wie: Sie werden es nicht glauben, was passiert ist. Kennedy und Lee kamen gut miteinander aus. Sie waren beide ruhige, Intellektbetonte Menschen. Wie es für den Posten des stellvertretenden Leiters üblich war, gehörte Lee nicht der CIA, sondern dem FBI an. Das war eine der Neuerungen, die mit der Einrichtung der Anti-Terror-Zentrale einhergegangen waren. Unter Irene Kennedys Kommando standen Mitarbeiter des Federal Bureau of Investigation, des Secret Service, der National Security Agency, der Drug Enforcement Agency, des Bureau of Alcohol, Tobbaco and Firearms, der Defense Intelligence Agency, des Pentagon, des State Department, des Justice Department sowie Wissenschaftler vom Center for Disease Control und dem Lawrence Livermore Laboratory, einem Zentrum der amerikanischen Rüstungsforschung. Vor fünfzehn Jahren hätte nicht einmal die Führungsspitze all dieser Behörden und Organisationen Einblick in das Datenmaterial bekommen, das heute auch den Analytikern der mittleren Ebene zugänglich war.
    Lee schloss die Tür und legte die Hände an die Hüften. Mit seiner Förmlichkeit, was die Kleidung betraf – Lee trug sogar am Samstagvormittag Anzug und Krawatte –, hob er sich vom übrigen Personal des CTC ab, wo man in diesem Punkt zu einer gewissen Lockerheit tendierte; die meisten Mitarbeiter kamen in Jeans zur Arbeit. Lee stammte aus

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