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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Christo
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auf ihre Feinde stürzen wollte, statt zu türmen. Es lag in seiner Natur, anzugreifen, so, wie es in ihrer Natur lag, davonzulaufen. Er hatte eben nicht ihr Hasenherz.
    Tränen der Wut und Verzweiflung strömten über ihr Gesicht, als sie mit einem Schluchzer die Leine losließ und auf die Ile de la Cité rannte, ohne sich noch einmal umzudrehen.
     
    *
     
    Andrej brach ein Stück Brot, tunkte es in ein Schälchen mit Olivenöl und reichte es ihr. Diese vertraute Geste gab ihr das Gefühl, wieder acht Jahre alt zu sein. Er und sie hinter einem Hotel zwischen Müllcontainern versteckt, während sie sich ihre Beute teilen, ein Mahl aus Essensresten der Restaurantküchen. Und immer hatte er ihr den ersten Bissen gelassen.
    Mit einem Mal wurde ihr Hals eng, und das Schlucken fiel ihr schwer. Er hatte es nicht vergessen.
    Nachdem sie ein paar Minuten schweigend aßen, begann er zu reden.
    „Als sie kamen, um dich zu holen …“ Er schüttelte leicht den Kopf und betrachtete sie wie einen seltenen Schmetterling, das letzte Exemplar, das seiner Sammlung fehlte.
    „Ich bin nicht unbewaffnet zu denen ins Auto gestiegen“, bemerkte er schließlich und nahm einen Schluck Cidre.
    Natürlich war er das nicht, also warum sah er so aus, als würde er ein Geständnis ablegen? Sie hatten immer Waffen überall am Körper versteckt. Primitives Zeug, aber immerhin. Einmal blieb ihr bloß ein Zahnstocher, um sich zu verteidigen. Der Typ, der sie aus ihrem Unterschlupf werfen wollte, hatte beim Anblick des Korkens mit dem Holzstäbchen am Ende gelacht. Er lachte nicht mehr, als das Ding in seinem Auge steckte.
    Die Art, wie Andrej sie ansah, dachte er vermutlich nicht an Zahnstocher. Abgesehen von einem Schweizer Armeemesser hatte er nichts besessen, dass er als Waffe einsetzen konnte, schließlich fand man in Pariser Mülltonnen selten Wurfsterne und sonstiges Kampfgerät. Und ob er mit einem Taschenmesser gegen schwer bewaffnete Gangster gewinnen konnte, war mehr als fraglich. Außerdem musste sie davon ausgehen, dass diese Typen ihn gefilzt und ihm das Messer abgenommen hatten.
    „Sie haben mich in den Keller des Le Moulin gesperrt“, unterbrach er ihre Überlegungen. „Das Restaurant in der Nähe der Metrostation Maubourgh . Ich hab ein paar Stunden gewartet, und dann das Schloss geknackt.“
    Was keine Überraschung war. Mit einer Kugelschreibermine und einem Drops konnte er wahre Wunder vollbringen. Und von Schlössern hatte er sich noch nie aufhalten lassen.
    „Ich war schon draußen, aber diese Schweine hatten mir die Boots weggenommen, die wollte ich wiederhaben.“
    Verständlich. Im Dezember war der Boden gefroren – ohne Schuhe wäre er nicht weit gekommen.
    „Auf der Suche bin ich einem der Typen in die Arme gelaufen. Kam in den Gang gewankt, ’ne Wodkaflasche in der Hand und ’ne Kippe im Mund.“ Er wackelte vielsagend mit den Brauen, und sie verstand.
    „Muss einen mächtigen Knall gegeben haben“, bemerkte sie, worauf er lachte.
    „Ich hatte Glück, dass der Penner besoffen war. Ist keine schöne Aufgabe, auf einen Zwerg aufzupassen, während sich deine Kumpel durch die Pariser Bordelle vögeln.“ Er hob einen Mundwinkel und zwinkerte ihr zu. „Hab ihm meinen Kugelschreiber in die Eier gerammt – um ein Haar hätte der Idiot den Wodka fallen lassen. Danach habe ich eine Socke in die Flasche gestopft, das Teil mit seiner Fluppe angesteckt, und ab damit in den Wachraum. Woher hätte ich wissen sollen, dass dort Munition lagerte?“
    Darauf brach sie in helles Gelächter aus, in das er einfiel.
    Eine Strähne löste sich aus seinem kurzen Zopf, und er blies sie sich aus dem Gesicht. Plötzlich ergriff er ihre Hand und hielt sie umfangen, während er mit leiser Stimme fortfuhr. „Nachdem ich da raus war, bin ich untergetaucht. Als ich am nächsten Abend in unsere Gasse kam, um dich zu holen, habe ich gerade noch gesehen, wie jemand Zoeys Leute weggepustet hat, und mit dir verschwunden ist.“
    Erschrocken hielt sie den Atem an. Andrej war dabei gewesen, als Wayne sie vor Zoey gerettet hatte?
    „Ich bin euch gefolgt, aber Mann, der Typ verstand wirklich was davon, unsichtbar zu werden. Einen Block weiter habe ich euch aus den Augen verloren. Hab die Nacht damit verbracht, euch zu suchen, aber ihr wart wie vom Erdboden verschluckt. Und es war ja nicht so, als wäre ich zu dem Zeitpunkt fit gewesen. War noch immer halb taub von der Explosion, meine rechte Seite sah auch nicht so toll aus. Ich hab die

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