Die Entscheidung
CD-Player, Windeln und einen Karton mit ihren wenigen Wertsachen und ein paar Familienfotos.
Kyle hatte Glück, die beiden getroffen zu haben, denn er hätte beinahe die schmale Abzweigung verpasst, die zum Umsiedlungslager führte. Die unbefestigte StraÃe verlief etwa fünfhundert Meter lang steil nach oben und endete dann auf einer rechteckigen Lichtung im Dschungel. Unterwegs hielt er noch zwei Mal an, um die Sachen von drei weiteren Dorfbewohnern einzuladen.
Das Lager war etwa so groà wie mehrere FuÃballfelder und bestand aus identischen, in gleichmäÃigem Abstand aufgebauten kleinen Wellblechhütten. Es waren über zweihundert und mit ihren bunt gestrichenen AuÃenwänden erinnerten sie Kyle an Legosteine. Hinter jeder achten Hütte stand ein etwas gröÃeres Gebäude mit Wasserhähnen an der AuÃenseite und Toiletten und offenen Duschen im Inneren.
Alles war sauber und modern. Ein Politiker konnte behaupten, dass die Bewohner hier unter besseren Bedingungen als in ihren Dörfern am Strand lebten, doch niemand mit nur ein wenig Fingerspitzengefühl konnte die traditionellen Hütten an den goldenen Stränden mit diesen Blechhäufchen mitten im Dschungel vergleichen.
Mehrere umgesiedelte Dorfbewohner begrüÃten Kyle herzlich, als er den Laderaum des Land Cruisers öffnete und die Einheimischen, die er unterwegs aufgelesen hatte, ihre Sachen herausnehmen lieÃ. Sein stärkster Eindruck war, wie verlassen der Ort erschien, wenn man bedachte, dass in der Nacht vier ganze Dörfer hierher umgesiedelt worden waren.
Er half den Mädchen, ihre Habseligkeiten in eine hellgelbe Hütte zu bringen. Darin war es heià und stickig, ganz im Gegensatz zu Aizats traditionell erbauter Holzhütte am Tag zuvor. Die Hitze machte den Zwillingen zu schaffen, und es erwies sich als Fehler, einen von ihnen hochzunehmen.
»Ich glaube, er mag mich nicht«, sagte Kyle besorgt
und reichte das strampelnde Baby wieder einem der Mädchen. »Ist Aizat hier?«
Die Mädchen sprachen kaum Englisch, aber ein paar Kinder, die Kyle vom Auto her gefolgt waren, verstanden ihn und führten ihn an der Hand zu einer grünen Blechhütte. Auf dem Weg dorthin bemerkte er, dass sich ein halbes Dutzend Moskitos an seinen nackten Arm geheftet hatten und noch weitere um seinen Kopf herumschwärmten.
Aizat lag in der unmöblierten Hütte Nummer drei, Reihe neun. Seine Shorts waren voller Blut, das T-Shirt hatte er sich als Kissenersatz unter den Kopf geschoben.
Die Polizei hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihn zu verhaften, aber seine Beine und sein Oberkörper waren von Schwellungen und blauen Flecken übersät. Zwei Finger an der linken Hand waren gebrochen und mit einer Schiene verbunden worden, die Arme furchtbar angeschwollen, weil er sie über den Kopf gehoben hatte, um sich vor den Tritten und Keulenschlägen zu schützen.
»Diese Schweine«, sagte Kyle, als sich seine Augen an das Dämmerlicht der Hütte gewöhnt hatten.
»Ich bin noch ganz gut weggekommen, dafür dass ich dem Polizeioffizier einen Stein an den Kopf geworfen habe«, scherzte Aizat, lachte schwach und zuckte gleich darauf unter Schmerzen zusammen.
»Wo sind denn die anderen?«, fragte Kyle. »Mrs Leung hat erzählt, dass vier Dörfer evakuiert worden
wären. Da hätte ich gedacht, dass es hier nur so wimmelt vor Menschen.«
»Würdest du denn hierbleiben, wenn du nicht müsstest?« , fragte Aizat, rollte sich vorsichtig auf eine Seite und lehnte sich an die Wand. »Abdullahs Leute haben allen, die fortwollen, erlaubt, heute Morgen ihre Sachen zu holen. Und dann haben sie sie mit einer Fähre aufs Festland gebracht.«
»Können sie dort denn irgendwohin?«, fragte Kyle.
»Die meisten schon«, nickte Aizat. »Fast alle haben Söhne, Töchter, Brüder, Schwestern oder so, die auf dem Festland arbeiten. Warte eine Woche ab, dann sind hier nur noch die Alten und die Leute, die niemanden mehr haben. Das Traurige daran ist, dass unser Dorf seit Hunderten von Jahren an dieser Stelle gestanden hat und in nur einer Nacht ist es verschwunden. Wenn du in zwei Jahren noch mal herkommst, dann findest du da nur noch Jetskis und Strandbars.«
»Das ist doch krank.« Traurig schüttelte Kyle den Kopf und sah sich in der kahlen Hütte um. »Du kannst deine Sachen gar nicht holen, so wie du aussiehst. Soll
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