Die Entscheidung
sein. Seit über einer Woche wurde er nun schon von Liliana festgehalten. Sie hatte ihn fesseln lassen, und er wurde seither immer an ein großes Objekt gebunden, damit er nicht entkommen konnte. Im Moment war dieses Objekt ein Baum mitten im Wald. Es war ein Wunder, dass Liliana ihn nicht schon längst getötet hatte. Aber anscheinend hegte sie den Verdacht, dass er ihr nicht ganz die Wahrheit gesagt hatte. Oder sie vermutete, dass er den Ältesten noch nützlich sein konnte. Seine Gabe war äußerst selten und unter Akimas Befehl würde er gewiss von großem Nutzen sein.
Seit seiner Lüge war viel Zeit vergangen. Drei Tage lang hatte er Lilianas Folter standgehalten. Nicht einmal im Angesicht der Sonne hatte er nachgegeben, sondern war stark geblieben. Und dann war ihm die Lüge mit den Aufständischen eingefallen. William wunderte sich immer noch, dass Liliana ihm diese Geschichte überhaupt abgekauft hatte. Warum zum Himmel sollte Darrek sich den Aufständischen anschließen? Das war vollkommen absurd.
Aber Akima hielt es für möglich und das war alles, was zählte. Es hatte länger als erwartet gedauert, bis Akima Liliana ein Privatflugzeug schicken konnte, und danach hatten sie viel zu lange gebraucht, um dem Lager der Aufständischen auch nur nahe zu kommen.
Seit nunmehr zwei Tagen befanden sie sich jetzt in der Umgebung des Herrenhauses von Jasons Familie und hatten absolut gar nichts erreichen können. Überall waren Fallen aufgestellt, und wie durch ein Wunder hatten Liliana, Annick und Alain es bisher geschafft, keine davon auszulösen. Nur kamen sie auf diese Weise auch unmöglich weiter.
Nach so vielen Misserfolgen hatte Akima schließlich die Nase voll gehabt und Raika zu ihnen geschickt. Die Vertreterin von Noemi war erst vor wenigen Stunden eingetroffen und William war klar, dass ihr Urteil sein Schicksal besiegeln würde. Wenn sie feststellen sollte, dass Darrek nicht an diesem Ort war, dann würde Liliana endlich kapieren, dass er sie belogen hatte. Und dann würde die Tortur von vorne losgehen.
„Er ist nicht hier, habe ich recht?“, fragte Annick und William sah zu ihr hinüber.
Sie hockte mit Alain auf einem Baumstamm und spielte mit einem Messer. William zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf. Es würde ohnehin bald herauskommen. Da konnte er genauso gut die Wahrheit sagen. Alain blickte seine Schwester auffordernd an und diese erhob sich seufzend und kam zu William hinüber.
„Also gut, William“, sagte sie. „Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder du bleibst stumm und Liliana wird dich nachher durch den Reißwolf drehen, um an die gesuchten Informationen zu kommen.“
„Oder?“
„Oder du sagst mir direkt, wo Darrek ist, und ich lasse dich frei.“
„Moment. Wie bitte?“
Annick lächelte. „Du weißt, dass ich dich nicht einfach so freilassen kann“, erklärte sie. „Liliana würde sofort wissen, dass ich es war, und mich und Alain bestrafen. Aber wenn ich ihr den wahren Aufenthaltsort von Darrek präsentieren könnte, dann wäre sie bestimmt nicht mehr ganz so wütend.“
William nickte.
„Und das würdest du wirklich tun?“
„Nur, wenn du versprichst, mich nicht anzulügen, William. Denn wenn du mir eine falsche Information gibst, wird Liliana ihre Wut früher oder später an mir und meinem Bruder auslassen. Und das kann ich nicht zulassen.“
Nachdenklich blickte William zum Zelt. Raika brauchte normalerweise nicht lange, um einen Familienangehörigen aufzuspüren. Zumindest nicht, wenn sie wusste, wo sie zu suchen hatte. Aber da Darrek dazu imstande war, ihre Gabe zu manipulieren, nahm sie sich besonders viel Zeit, um ganz sicher sein zu können. Ähnlich wie Liliana brauchte sie in diesem Fall eine gewisse Anlaufzeit für ihre Gabe. Sie musste sich in eine Art Trance versetzen, um ihre Familienangehörigen zu erspüren. Es würde sicherlich nicht mehr lange dauern, bis sie Gewissheit hatte.
Aber Darrek verraten? Darüber durfte er noch nicht einmal nachdenken.
„Überleg nicht zu lange“, forderte Annick. „Denn wenn Liliana dich in die Finger bekommt, dann wirst du ohnehin nicht ewig durchhalten können. Noch einmal nimmt sie dir keine Lügen ab.“
William nickte, wusste aber trotzdem nicht, was er tun sollte. Er wollte Darrek und Laney nicht in den Rücken fallen. Andererseits hatten die beiden vorgehabt, nur einen kurzen Zwischenstopp bei den Outlaws einzulegen. Es waren schon über zwei Wochen vergangen. Darrek und Laney sollten längst
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