Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
Ereignisse forderten jetzt ihren Zoll. Während Charlie so da lag und in den Himmel schaute, wurden ihr die Augenlider schwer. Sie versuchte dagegen anzukämpfen. Sie zwang sich zum Nachdenken, denn sie brauchte einen Plan. Sie musste geschickt und unauffällig soviel Information wie möglich aus Biarn herausbekommen und sie wollte wissen welche Richtung sie morgen einschlagen sollte. Diese Geschichte mit der Blumenschale war bestimmt nicht das einzige wichtige Wissenswerte in dieser seltsamen Welt.
Charlie musste kurz eingeschlafen sein. Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie direkt in die hell erleuchtete Sichel des Mondes. Der Raum lag wieder in diesem schummerigen Halbdunkel. Verwirrt versuchte Charlie aus ihrem Halbschlaf zu erwachen. Der Mond? Aber der war doch schon vorbeigewandert oder etwa nicht? Sie blinzelte, räkelte sich und hievte sich auf ihre Ellenbogen hoch. Ja, das war tatsächlich der Mond! Seltsam , dachte sie und betrachtete ihn gedankenverloren. Die Sichel stand direkt über der Dachöffnung. Sterne blitzten und blinkten um sie herum.
Plötzlich fuhr Charlie von ihrem Heubett empor und war mit zwei Sätzen an der Tür! Sie öffnete sie hastig und stieg ins Freie. Ein paar Schritte vom Schuppen entfernt, drehte sie sich um und starrte in den Himmel. Tatsächlich! Das gibt's doch gar nicht , dachte Charlie völlig überfordert und entgeistert. Da, etwas links von ihr stand die Mondsichel hell erleuchtet am Himmel. Ja, und ein ganzes Stück weiter rechts hinter dem Schuppen konnte sie die gelbe Scheibe des fast vollen Mondes erkennen, der Stunden zuvor im Loch des eingestürzten Daches zu sehen gewesen war! Zwei Monde! Hier gab es zwei Monde! Charlie schaute verwirrt von einem Mond zum anderen und wieder zurück. Unglaublich! Lange stand sie dort draußen vor dem Schuppen und betrachtet ungläubig sowie fasziniert die zwei Monde. Sie fing an zu frösteln. Die Kälte, die in ihre Glieder kroch, zwang sie in den Schuppen zurück. Zitternd kroch sie unter die seidene Decke und legte sich auf ihrem Heulager zurecht. Der Stein der Kette um ihren Hals, rutschte über den glatten Stoff des Hemdes. Sie ergriff ihn und ließ ihn unter das Hemd gleiten. Ich brauche doch gar nicht zu frieren , dachte Charlie. Und richtig, schon kurze Zeit später breitete sich die wohltuende und beruhigende Wärme des Steines in ihrem Körper aus. Sie hatte zwar das seltsame Gefühl, jemanden ganz in der Nähe leise schnorchelnd schnarchen zu hören, aber die Müdigkeit übermannte sie. Sie glitt in einen ruhigen, traumlosen Schlaf.
Erschreckt fuhr Charlie von ihrem Heulager hoch. Etwas hatte sie aus dem Schlaf gerissen. Angespannt horchte sie auf Geräusche außerhalb ihres Unterschlupfes. Stimmen! Stimmen und das Getrampel von Hufen. Sie erkannte ein Pferd genau an dem rhythmischen Geklapper der Hufe, sie hatte ja selbst einmal einen Isländer besessen. Ein eigenes Pony hatte sie gehabt. In einer Welt in der noch alles in Ordnung gewesen war, als ihre Eltern noch lebten und gemeine Pflegeeltern, Heime und fremde Welten noch ferne Zukunft gewesen waren!
Charlie warf einen entsetzten Blick in die Dachöffnung. Strahlender Sonnenschein! »Teufel auch!«, zischte sie leise. »Wollte dieser Biarn mich nicht vor Sonnenaufgang wecken?«
Mucksmäuschenstill verharrte sie und horchte den Stimmen, die dort draußen auf dem kleinen Pfad durch das Dickicht kamen. Eine helle Jungenstimme und das klingende Lachen eines Mädchens drangen durch die Wände des Schuppens. Zwei waren es, dachte Charlie. Sie konnte jedenfalls nur zwei Stimmen ausmachen. Sie kamen näher, passierten den Schuppen ohne anzuhalten und verschwanden sich lebhaft unterhaltend im Dickicht. Charlie atmete auf. Sie fing hastig an, alle ihre Sachen zusammenzupacken, während sie überlegte, was sie jetzt tun sollte. Biarn war nicht gekommen! Die Sonne stand schon recht hoch am Himmel und dieser Biarn hatte ihr eindringlich geraten vor Sonnenaufgang fort zu sein. Sollte sie noch warten? Nein, sie musste los. So ein Mist! Sie hätte ihn gerne noch so vieles gefragt!
Charlie ging nicht zum Dorf zurück. Biarns Worte - in diesem Dorf solltest du nicht betteln gehen - waren ihr Warnung genug. Sie hatte ihre neuen Schuhe angezogen, den Rucksack geschultert und den dicken dunkelgrünen Seidenmantel übergeworfen. Den Rucksack unter dem Mantel, sah sie aus wie ein buckliger Zwerg.
Charlie war noch nicht sehr lange auf dem schmalen Pfad durch das Dickicht
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