Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
zu können und am liebsten wäre sie ganz schnell davongelaufen. Noch konnte sie einfach sagen: Ach, war nicht so wichtig, oder: Wir halten Kunar gemeinsam davon ab, oder etwas ähnlich Ausweichendes.
Tora hob abwartend die Augenbrauen, während Charlie händeringend von einem Fuß auf den anderen trat.
»Ich… Du weißt doch noch, als wir uns das erste Mal getroffen haben und ich euch von der Erde erzählt habe?« Tora nickte. Man sah ihr an, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, auf was Charlie hinauswollte. Charlie zuckte schuldbewusst mit den Schultern.
»Es war so viel einfacher... Und später.. Ja später, war es irgendwie zu spät «, sagte sie.
»Wovon redest du?«, fragte Tora verwirrt.
»Alle haben es geglaubt. Alle sollten es ja auch glauben, das war der Plan, zumindest auf der Erde«, fuhr Charlie fort. »Ich wollte nicht, dass mich jemand erkennt, verstehst du?« Charlie sah zu Tora hoch, die gar nichts verstand.
»Ich war doch abgehauen, aus dem Heim. Und alle würden nach mir suchen und dann kam mir die Idee. Eigentlich war es ein Traum, der mich darauf brachte. Und dann, dann habe ich sie einfach abgeschnitten.« Tora sah Charlie an, als würde sie nicht mehr alle beisammen haben. Sie schüttelte den Kopf.
» Wovon redest du , Charlie«, wiederholte sie eindringlich. Charlie rang die Hände und atmete tief durch. Ängstlich sah sie zu Tora hoch.
»Davon, das ich gar kein Junge bin. Ich bin ein Mädchen«, flüsterte sie fast unhörbar. Tora saß kerzengerade und absolut regungslos auf dem Findling und starrte auf Charlie herab. Man konnte eindeutig erkennen, dass sie immer noch nicht verstand. Charlie machte einen Versuch der Erklärung.
»Ich hatte so lange Haare.« Sie zeigte bis weit über die Schultern. »Und im Traum habe ich mich mit kurzen Haaren gesehen und selbst geglaubt, ich wäre ein Junge. Ich wollte doch bloß nicht, dass mich jemand erkennt. Auf der Erde. Und als ich dann hier landete, hielten mich hier auch alle für einen Jungen. Ich wollte es euch erzählen. Bei unserem zweiten Treffen bei der Eberesche. Aber dann…« Charlies Stimme überschlug sich fast, so schnell sprach sie jetzt. Und die Verzweiflung war ihr deutlich anzumerken.
»Und dann erzählte Kunar von den Verboten für Frauen und dann konnte ich es einfach nicht mehr. Ich musste doch irgendwie klarkommen, da konnte ich keine Verbote gebrauchen. Und ich wusste doch nicht, ob ich euch vertrauen konnte und...« Sie verstummte. Toras Blick hatte sich verdunkelt. Grimmig starrte sie vor sich hin und Charlie seufzte. Da hatte sie es. Tora war sauer und das zu Recht. Sie würde ihr das nie verzeihen.
»Diese verfluchten Verbote«, presste Tora zischend hervor. Dann starrte sie Charlie ungläubig an. Sie sprang von dem Felsen hinunter und musterte Charlie ein paar Mal kopfschüttelnd von oben bis unten.
»So ein Quatsch«, murmelte sie vor sich hin. Charlie ließ ungeduldig und extrem angespannt Toras Musterung über sich ergehen. Als sie es nicht mehr aushielt, flüsterte sie:
»Nun sag doch was. Schrei mich an, oder was du willst, aber sag was...« Tora hob die Augenbrauen und schüttelte wieder den Kopf.
»Ein Mädchen? Du?« Charlie nickte vorsichtig.
»Ich heiße Charlotta. Charlotta Johansson. Charlie ist eine Abkürzung.«
»Charlotta«, murmelte Tora und kniff die Augen zu kleinen Spalten zusammen, als ob sie so besser das Mädchen hinter dem ihr so bekannten Jungen erkennen könnte. Dann schüttelte sie wieder den Kopf.
»Das kann doch nicht wahr sein, oder?«, murmelte sie vor sich hin.
»Du hast doch gesehen, dass auf der Erde fast alle Mädchen Hosen tragen. Hanna doch auch«, versuchte Charlie ihr auf die Sprünge zu helfen. Tora runzelte nachdenklich die Stirn.
»Ich habe dich nie nackt gesehen...«, sagte sie dann. Und plötzlich machte sie große Augen.
»Nein! Und wir dachten, alle Menschen auf der Erde setzen sich zum Pinkeln hin! Und wir haben nichts gesagt! Kunar meinte es wäre taktlos!« Charlie grinste schuldbewusst und schüttelte den Kopf.
»Nee, bei uns pinkeln Jungs auch im Stehen.« Und dann fügte sie geniert hinzu:
»Ihr habt mich beim Pinkeln beobachtet? Und darüber geredet?« Tora grinste zurück.
»Tja, bleibt nicht aus, wenn man so viel Zeit miteinander verbringt.« Dann kehrte ihr ungläubiger Ausdruck zurück und sie betrachtete Charlie, als hätte sie sie nie zuvor richtig gesehen. Was ja auch zum Teil stimmte, musste Charlie ihr zugestehen. Sie hatte sie
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