Die Erben der alten Zeit - Das Amulett (Die Erben der alten Zeit - Trilogie) (German Edition)
solchen Frauensachen«, verkündete er stolz über seine Schwester. Charlie senkte schuldbewusst den Kopf. Frauensachen! Tora und Kunar und auch Biarn hatten sie als Junge angesprochen und sie hatte nichts getan, um dies richtigzustellen. Im merhin war es ihr Plan gewesen, als Junge durch Schweden zu wandern. Hier in dieser anderen Welt hätte sie eigentlich die Wahrhei t sagen können... Hier suchte keiner nach ihr... Charlie rang mit sich selbst und ihrem Gewissen. Gerade als ihr Gewissen gesiegt hatte und sie kleinl aut erklären wollte, dass sie eigentlich ein Mädchen war , sagte Kunar etwas, das sie schnellstens wieder von ihrem Vorhaben Abstand nehmen ließ.
»Nur schade, dass Frauen nicht jagen dürfen. Ich glaube Tora wäre gar nicht so schlecht.« Dankbar warf Tora ihrem Bruder ein Lächeln zu. Charlie schluckte.
»Frauen dürfen nicht jagen?«, fragte sie misstrauisch. »Gibt es noch mehr, was Frauen nicht dürfen?« Schon ihr ganzes Leben hatte Charlie damit verbracht zu beweisen, dass sie alles genauso gut konnte wie Jungs, oder besser. Ihre Streitlust war geweckt. Sie starrte Kunar wütend an. Ihre Augen blitzten gefährlich und spiegelten unverhohlen ihre innere Anspannung wieder. Erstaunt erwiderte Kunar ihren Blick. Für ihn war es völlig normal, dass Frauen gewisse Dinge nicht durften. Er hielt sich selbst für äußerst tolerant, da er Tora gewisse Fähigkeiten zumindest nicht absprach. Dass sie trotzdem nicht jagen durfte, und sonst auch nicht viele Rechte hatte, war für ihn völlig normal. Frauen waren für Hausarbeiten zuständig (nähen, weben, sauber machen, kochen), für das Beeren-und Pilzesammeln und auch für das Holzsammeln, während der Mann jagte, die Felder bestellte und das Sagen hatte.
»Das war schon immer so«, fügte er seinem Bericht achselzuckend hinzu.
Tora war Kunars Ausführungen still gefolgt. Nun aber schüttelte sie nachdrücklich den Kopf, dass die langen, dunklen Haare nur so flogen.
»Nein!«, stieß sie hervor. »Die Frauen erzählen sich, dass dies seit Odens Herrschaft so ist! Vor seiner Zeit, soll alles ganz anders gewesen sein! Frauen sollen da sogar gleiche Rechte gehabt haben!« Kunar sah entschuldigend zu Charlie hinüber.
»Schon möglich«, sagte er dann achselzuckend. »Aber die meisten hier sind der Meinung, dass das bloß Wunschdenken ist. Frauen träumen eben von anderen, besseren Zeiten.« Tora und Charlie warfen Kunar empörte Blicke zu.
Ein Glück! , dachte Charlie aufgebracht. Was für ein Glück, dass ich nichts gesagt habe! Sie entschied sich bis auf weiteres als Junge durch Vanaheim zu gehen. Koste es was es wolle! Sie würde sich von niemandem sagen lassen, was sie zu tun oder zu lassen hatte! Nicht sie, Charlie Johansson, oder wie sie sonst noch hieß!
Charlie lag auf ihrem selbstgebauten Nachtlager und sah zu den Sternen hinauf. Sie war wieder allein, doch Tora und Kunar hatten versprochen am nächsten Tag wiederzukommen. Nachdem sie lange, zu lange, am Lagerfeuer gesessen hatten, waren Tora und Kunar gezwungen aufzubrechen. Sie mussten jagen und Beeren und Pilze sammeln. Sie mussten etwas mit nach Hause bringen. Charlie durfte nicht mit. Ohne Augenklappe war den Geschwistern das Risiko zu groß. Sie versprachen Charlie am nächsten Tag mitzunehmen, sofern das mit der Augenbinde klappte.
Charlie hatte den Rest des Tages damit verbracht, faul in der Frühlingssonne zu liegen. Jetzt in der Dunkelheit der Nacht, fragte sie sich zum wiederholten Male, woher all diese seltsamen Geräusche kamen. Wie schon in den letzten zwei Tagen schniefte, gähnte, hüstelte und schnarchte es in den Tiefen des Schuppenfichtenwaldes. Und auch zum wiederholten Male, ärgerte sie sich darüber, dass sie schon wieder nicht daran gedacht hatte, zu fragen wer oder was diese Geräusche verursachte. Sie tröstete sich damit, dass alles höchstwahrscheinlich ungefährlich war. Tora und Kunar mussten diese Geräusche ja auch hören. Oder? Würde etwas Gefahrvolles dahinter stecken, hätten sie Charlie vermutlich gewarnt. Außerdem schlief sie wieder im Schutze der alten Eberesche. Morgen würde sie als erstes nach diesen verflixten Geräuschen fragen!
»Geh runter, Felix«, murmelte Charlie im Halbschlaf. Sie räkelte sich und versuchte dadurch Felix von der Decke zu schubsen. Aber ihre Katze war hartnäckig und tapste weiter auf ihr herum. Charlie fing an unter der Decke zu strampeln, um Felix zu verscheuchen und glitt so langsam aus dem Reich der Träume
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