Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
hob eine Hand.
»Erspare uns weitere Details. Darum geht es hier auch nicht.«
Er wirkte irritiert und ungehalten.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass du persönliche Dinge transportierst. Bure, sieh zuerst die Körbe für den Arnoldshof durch und schaff mir diese Kinder endlich aus den Augen!«
Er rümpfte angewidert seine etwas zu große Nase.
»Das Gesindel stinkt nach alten Socken und vergammeltem Fisch.«
Bure trat mit zwei großen Schritten zu den Körben und wühlte darin herum. Charlie konnte erkennen, dass es sich um Seidenspinnerstoff und Garne handelte. Offenbar war diese Witwe Anna eine Schneiderin.
»Beste Ware aus Lifsheim«, verkündete Kapitän Brage fach-männisch. »Sobald die Witwe Anna wieder auf den Beinen ist, kann sie den hohen Herren wieder edle Gewänder fertigen. Sie wünschen doch sicher schöne neue Modelle?«
Er lachte und verwickelte Heimdall in ein Gespräch über Lifsheim und die außergewöhnliche Produktion an Seidenspinnergarn.
Bure hob seinen groben Kopf aus dem letzten Korb und verkündete verbissen:
»Die Ware ist sauber, mein Herr.«
Bures Blick pendelte misstrauisch zwischen Kapitän Brage und den drei verlumpten Jugendlichen. Irgendetwas lief hier doch gar nicht, wie er es sich erhofft hatte. Brage sah keineswegs überrascht oder verängstigt aus. Er zwinkerte Charlie heimlich zu und brummte mit barscher Stimme:
»Worauf wartet ihr noch? Husch, husch! Sämtliche Körbe dort müssen hinausgebracht werden. Ein Einhorn steht bereit. Ihr wisst ja wo der Arnoldshof liegt. In südlicher Richtung, immer die Küste entlang.«
»Sehr wohl, mein Herr«, murmelte Kunar mit respektvoll gesenktem Kopf.
Charlie und Tora folgten Kunars Beispiel und schnappten sich je einen Korb, um eiligst damit den kleinen Lagerraum zu verlassen.
»Danke«, murmelte Charlie im Vorbeigehen.
»Und seht zu, dass ihr euch beeilt. Die Witwe Anna erwartet ihre Lieferung schon heute!«, rief Brage ihnen nach.
Hinter der Halle hatte sich Gler losgerissen und trabte aufgeregt auf und ab. Einige Männer versuchten ihn vergebens am Zügel zu erwischen, als Charlie den Korb absetzte und rief:
»Ich mache das schon!« Gler hielt abrupt inne und kam freudig wiehernd auf sie zugetrabt. Endlich ein vertrautes Gesicht. Die Männer schüttelten lachend die Köpfe und wandten sich wieder ihrer Arbeit zu.
»Puh, das war knapp«, murmelte Tora und sah sich besorgt zur Lagerhalle um. Es war niemand zu sehen.
»Hoffentlich bekommt Kapitän Brage wegen uns keine Schwierigkeiten«, seufzte Charlie und begann ihren Korb auf Glers Rücken zu verzurren. Kunar half ihr dabei, er runzelte besorgt seine Stirn und beeilte sich, so gut er konnte.
»Wir sollten so schnell wie möglich hier verschwinden«, sagte er. »Je eher, desto besser.« Charlie pflichtete ihm bei. Je schneller sie hier wegkamen, desto geringer war die Gefahr, doch noch entlarvt zu werden.
Als sie endlich alle vier Körbe auf Glers Rücken festgezurrt hatten, schlugen sie den Weg gen Süden ein. Anders als in Eliborg, das im flachen Land des Herzogtums Sökkvabäck lag, erhoben sich hinter Elisands Küstenlinie sanfte Berge. Die Hügel und Täler der Grafschaft Ydalir waren zu wärmeren Jahreszeiten sicher mit saftigem Grün überzogen. Nun, im Torre-Monat, war das Gras vergilbt und die vielen Laubbäume kahl. Hoch oben, auf einem der entfernten Hügel, thronte eine Burg mit Türmen und Erkern. Ydalir, ehemals Heim von Ull, nun von Heimdall bewohnt, der die Herrschaft über diese Ländereien übernommen hatte.
Sie warfen noch einen letzten Blick auf Kapitän Brages Schiff, das majestätisch zwischen den anderen Frachtschiffen vertäut lag. Die filigrane Lichtelfe schien über dem Bug zu schweben und Charlie hätte schwören können, dass sie ihnen heimlich zuzwinkerte, genauso wie es Kapitän Brage getan hatte. Dann ließen sie das laute Treiben im Hafen hinter sich.
11. Mörkveden – oder der Weg durch Fensal
K unars und Toras Erklärungen, dass auf Godheim wesentlich mehr Menschen lebten als in Vanaheim, wurden auf den ersten Kilometern bestätigt. Händler, Bauern und Reisende aller Art waren auf der zunehmend steinigen Straße unterwegs. Gleich mehrere Höfe und zwei Dörfer säumten ihren Weg gen Süden.
Eine kleine Schale mit getrockneten Blüten, die Tora etwas versteckt am Eingang zu einem der Höfe fand, zeigte ihnen, dass sie hier Hilfe erwarten konnten. Ein aufgeweckter, dünner Junge gab ihnen Auskunft über die Richtung,
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