Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita Sydow Hamann
Vom Netzwerk:
erwartungsvoll, angespannt, ganz in seinen Bann gezogen.
    Einige waren auch ein wenig ängstlich. Ganz besonders zwei junge Ken namens Bauge und Höd. Sie musste Oden ganz besonders im Auge behalten. Höd blickte starr geradeaus, doch Bauges Augen flackerten unruhig umher.
    Bei ihm spürte Oden neben Angst auch Unwillen. Schweiß perlte sich auf seiner Stirn. Unter seinen Bärsärkern konnte Oden aber keine Feiglinge gebrauchen. Schon gar nicht solche, bei denen sich auch noch ein Gewissen regte.
    Nach einem letzten prüfenden Blick auf Bauge hob Oden seinen Speer Gugner an und stampfte damit auf den Waldboden.
    Ein schwacher, dumpfer Schlag nur – das Zeichen.
    In die gespenstische Stille mischte sich ein monotoner Singsang. Tiefe, fast brummende Worte: Kenaz, Kenaz, Kenaz, Kenaz …
    Bauge flüstere lediglich, sah sich unruhig um. Höds Stimme wurde mit jedem Wort fester, eindringlicher.
    Dann bewegten sie sich gemeinsam mit dem Lauf der Sonne im Kreis und senkten schließlich ihre hochgestreckten Arme.
    Der Gesang verstummte. Stöcke und dunkle Klingen erschienen nun in ihren Händen, Energien kanalisierten sich und zogen einen Zirkel in den Waldboden – einen Kreis, der zu leuchten begann, ein Ring um Oden.
    Die dunklen Gestalten versammelten sich am inneren Rand der silberglühenden Linie und richteten ihre Blicke auf einen kleinen Scheiterhaufen vor Odens Füßen. Bauge wappnete sich. Dann erhob er gemeinsam mit den anderen die rechte Hand. Sie ritzten die Rune Kenaz in jede Himmelsrichtung, und warfen die Kraft des Feuers auf den Scheiterhaufen. Sie beugten sich vor und bliesen über ihre Handflächen.
    »Kenaz!«, riefen alle gleichzeitig.
    Oden trat zurück.
    Der Scheiterhaufen entzündete sich, und bald schon schlugen Flammen weit bis an die Wipfel der alten Bäume. Die zwölf Ken-Magier traten beiseite, ließen eine Seite des Silberzirkels frei, hoben wieder ihre Hände, der dunkle Gesang setzte erneut ein: Kenaz, Kenaz, Kenaz …
    Oden hob Gugner an, senkte die Spitze des Speeres Richtung Feuersäule und setzte zum Wurf an. Doch der Speer verharrte in der Luft. Statt seiner verließ eine unbändige Kraft Odens Hand, traf die Feuersäule wie die Druckwelle einer Explosion.
    Für einen Augenblick schien es, als würde sich das Feuer ver-schlucken. Doch dann holte es Luft, loderte erneut auf und fegte als mörderische Feuersbrunst aus dem Zirkel in den Wald. Es hatte ein Ziel, eine Aufgabe, einen Willen! Von Macht getrieben fraß es mit ungezügeltem Tempo eine Schneise durch den Wald.
    Wie ein sauberer Schnitt fegte das Feuer vorwärts, ließ nichts entkommen – hinterließ nur Asche auf seinem Weg.
    Oden machte eine schnelle Handbewegung. Der so erzeugte Sog erfasste Bauge und schleuderte ihn dem Feuer hinterher!
    Ein langgezogener Schrei – dann wurde der junge Ken von den Flammen verschluckt.
    Die Worte der Bärsärker gerieten kurz ins Stocken, doch dann fingen sie sich wieder und predigten noch lauter: Kenaz, Kenaz, Kenaz …
    Sie blickten dem Feuer nach, das wie ein rotoranges Licht davoneilte.
    Doch das Ritual war noch nicht zu Ende. Der Silberzirkel würde leuchten, bis das Feuer seine Aufgabe erfüllt hatte, bis der magische Kreis gegen den Lauf der Sonne wieder aufgelöst wurde.
    Erst dann war die Prüfung der Ken vorbei. Erst dann das Band zu Oden gefestigt!
     
     
    Charlie warf einen Blick zu Tora hinauf. Im Schein des Vanaheim-Vollmondes und der riesigen, halbvollen Scheibe des Godheim-Mondes konnte sie Toras Gestalt im Ausguck recht gut erkennen. Aber …
    Schlief sie etwa?
    Charlie sprang auf.
    »Tora?«, rief sie mit gedämpfter Stimme. Kunar und Ragnar waren verstummt. »Tora?«, rief Charlie noch einmal.
    Tora zuckte zusammen und sah sich schuldbewusst um. Plötzlich wurde sie stocksteif.
    »Feuer!«, schrie sie – und dann ging alles ganz schnell. Ragnar verschwand mit langen Schritten in der Scheune.
    Noch bevor Charlie einen klaren Gedanken fassen konnte, ertönte der erste gewaltige Schlag der Galdertrommeln.
    Kunar stieß die großen Scheunentore auf, und Charlie wusste, dass der dumpfe, kräftige Klang der Schläge weit über das Land getragen wurde. Es schien fast, als würde er magisch verstärkt.
    Bald konnte Charlie einzelne wiederkehrende Sequenzen in den Trommelschlägen erkennen. Fast wie hypnotisiert stand sie da und lauschte.
    Doch da wurde sie von Tora aufgeschreckt.
    »Es kommt zu schnell! Viel zu schnell!«, rief sie.
    Ohne weiter nachzudenken, kletterte Charlie zu

Weitere Kostenlose Bücher