Die Erben der Nacht 04 Dracas
aufzunehmen, um zu erfahren, wo sie den Tag über Schutz zu finden gedachten. Die Antwort war eine Mischung aus Bildern, Gefühlen und Worten.
Es gibt hier Höhlen, meldete sie Luciano und Franz Leopold weiter. Lasst uns nach einer Ausschau halten, die groß genug ist für unsere Rückverwandlung. Als es zu dämmern begann, konnten sie einen hohen Berggrat vor sich ausmachen, der fast bis zu seinem Gipfel bewaldet war. Nur die letzten Spitzen ragten als graue Felsen in die Höhe. Dort in den Wänden entdeckten sie unregelmäßig geformte Löcher und Spalten, auf die der Schwarm der Abendsegler zuhielt. Die Höhlen waren perfekt geschützt - schnitten sie aber auch von jeder Nahrungsquelle ab.
»Wie gut, dass wir uns unterwegs an den Rindern gestärkt haben«, meinte Alisa, als sie sich für eine Höhle entschieden und sich im Innern in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelt hatten. Neugierig sah sie sich um. Immer mehr Fledermäuse flogen durch den Spalt herein, suchten sich einen passenden Felsvorsprung, hakten ihre scharfen Krallen fest und ließen sich kopfüber fallen. Sie schlangen ihre ledernen Schwingen um ihre Körper und schlossen die Augen. Alisa konnte nicht sagen, ob sie richtig schliefen oder nur ruhten. Jedenfalls waren ihre Sinne auch bei Tag geschärft, sodass sie jederzeit die Flucht ergreifen konnten. Darin waren sie gegenüber den Vampiren in ihrer Todesstarre im Vorteil. Allerdings waren auch die Fledermäuse bei Tag größeren Gefahren durch ihre Feinde ausgesetzt. Schreckte man sie aus dem Schlaf und zwang sie, ins Freie zu flüchten, waren sie im grellen Sonnenlicht ihren Fressfeinden hilflos ausgeliefert. Ihr feines Echosystem nützte ihnen gegen die scharfen Augen eines Greifvogels nicht viel. So waren
auch die Fledermäuse darauf angewiesen, schon bei der Wahl ihrer Quartiere darauf zu achten, dass ihre Ruhe möglichst nicht gestört wurde.
Während die Schatten im Tal zu weichen begannen, saßen die drei Vampire noch ein wenig beisammen.
»Habt ihr euch schon einmal überlegt, wie wir vorgehen, wenn wir Draculas Festung erreichen?«, fragte Alisa.
»Wir machen uns erst einmal ein Bild von der Lage«, meinte Franz Leopold.
»Ja, es kommt darauf an, dass wir unsere Vorteile erkunden, ohne von jemandem bemerkt zu werden«, ergänzte Luciano. »Ich weiß ja nicht, wer sonst so auf der Festung haust, aber wir können davon ausgehen, dass alle dort oben in irgendeiner Weise Dracula verbunden sind und ihm Bericht erstatten werden.«
»Und was sind unsere Vorteile, außer dass wir es vielleicht schaffen, unbemerkt zu bleiben?«, wollte Alisa wissen. »Wir haben nichts, keine Waffe oder mächtige Magie, mit der wir gegen ihn antreten können. Und wir haben keine Ahnung, über welche Fähigkeiten er verfügt.«
»Ja, Waffen wären nicht schlecht«, meinte Luciano. »Ein paar von den silbernen Klingen, die ihr in eurem Palais im Fechtraum ausgestellt habt, würden uns jetzt schon gut tun.«
»Und wie hättest du sie mitgenommen? Eine Fledermaus mit einer Degenklinge quer im Maul? Eine interessante Vorstellung«, konterte Franz Leopold.
»Praktisch wäre es dennoch«, meinte Luciano. »Was also können wir dann verwenden? Vielleicht gibt es in seiner Burg Waffen, an die wir irgendwie herankommen können.«
Alisa schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es ratsam ist, sich auf einen Kampf mit blanken Klingen einzulassen. Ich fürchte, nicht einmal Leo könnte es mit ihm aufnehmen.«
»Du meinst, er ist ein besserer Fechter als unser Dracas hier?«, hakte Luciano nach.
»Ich glaube, dass er sich nicht auf einen fairen Fechtkampf einlassen würde«, widersprach Alisa. »Nein, ich denke, er greift zu anderen Mitteln. Wenn er Ivy so einfach gegen ihren Willen entführen
kann, müssen wir darauf gefasst sein, dass er unerhörte geistige Kräfte besitzt. Und genauso ist es möglich, dass er schneller und stärker ist und die Verwandlung in allerlei Wesen besser beherrscht als wir.«
»Und? Willst du damit sagen, dass wir es bleiben lassen sollen? Willst du umkehren?« Franz Leopold sah sie vorwurfsvoll an.
Alisa schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht. Ich will nur, dass wir uns der Stärke unseres Gegners bewusst sind und uns ihm nicht leichtfertig ausliefern.«
Die drei brüteten eine Weile schweigend vor sich hin, doch es wollte ihnen kein rechter Plan einfallen.
»Wir gehen also davon aus, dass er, weil er unser aller Stammvater und noch dazu mehrere Hundert Jahre alt ist, alles
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