Die Erben der Nacht 04 Dracas
sie, bestätigte Alisa, aber lachen kann ich darüber nicht!
Wenigstens sind sie nun weg und werden wohl auch eine Weile unterwegs sein, warf Luciano ein. Sollen wir es wagen und uns den Donjon
und die anderen Wohnräume mal ein wenig näher ansehen? Wir müssen nur dem Buckligen aus dem Weg gehen.
Alisa hatte zwar Bedenken - sie wussten schließlich nicht, ob es noch mehr Vampire auf der Burg gab -, anderseits mussten sie dieses Risiko eingehen, wenn sie die Zeit vor Draculas und Ivys Ankunft sinnvoll nutzen wollten.
Sie begannen mit dem Anbau, in dem sich früher wohl die Küche und ein Vorratslager befunden hatten. Im Stock darüber waren vermutlich Schlafplätze für Wächter und Knechte gewesen. Die drei Fledermäuse spähten durch das winzige Fenster und drehten dann eine Runde durch die beiden Räume. Da der Bucklige noch immer an der Südmauer auf- und abging, wagten sie, auch den Wohnturm zu untersuchen. Obgleich der Turm mächtige Ausmaße hatte, waren die Räume innen erstaunlich klein. Die Mauern waren ungeheuer dick.
Durch ein Fenster gelangten sie in den untersten Raum. Er glich mehr einem Verlies und war voll mit verschlossenen Kisten und Truhen, aber auch allerlei alten Waffen wie Spießen und rostigen Schwertern. Der Stock darüber war schon ansehnlicher eingerichtet. Ein schöner mit Schnitzereien versehener Sekretär, gepolsterte Scherenstühle um einen langen Tisch, ein paar weiche Sessel an der Wand neben einem niederen Metalltischchen, eine Wasserpfeife und farbenprächtige Teppiche, die den Boden und die Wände bedeckten - man sah deutlich, dass der Fürst Umgang mit den östlichen Reichen gepflegt hatte.
Das Gemach ein Stockwerk höher mit seinem mächtigen Himmelbett und den schweren Truhen war ganz sicher das einer Dame. Der silberne Handspiegel auf dem Nachtkästchen, die zierlichen türkischen Tassen, der seidige Umhang, der über dem Bett lag, und das Gewand auf einer der Truhen ließen das Zimmer bewohnt wirken, als ob die Dame des Hauses jeden Moment zurückkehren könnte. Und dennoch mutete alles seltsam altmodisch an. Jeder Gegenstand auf dem Tischchen und den Truhen schien Hunderte von Jahren alt zu sein. Alisa umflog den Handspiegel in sicherem Abstand. Für eine Vampirin war er nutzlos. Auch transsilvanische Vampire kannten kein Spiegelbild, da war sich Alisa sicher. Stammten
diese Sachen dann alle noch aus der Zeit, als die Burg von Menschen bewohnt worden war?
Meint ihr, das ist das Gemach von Fürst Vlads Gemahlin? Er muss sie sehr geliebt haben, wenn er selbst jetzt noch ihr Andenken so lebendig hält. Verwundert flog Alisa noch eine Runde.
Die Liebe eines Vampirs über den Tod hinaus, mehr noch, über die Jahrhunderte hinaus! Bisher habe ich in ihm nur den alten Meister gesehen, den grausamen Herrscher, meinte Luciano nachdenklich.
Und nun siehst du ihn in weicherem Licht?, wollte Franz Leopold wissen. Dass du dich da nur nicht täuschst! Diese Art, wie er das Gemach einer toten Gemahlin über Hunderte Jahre erhält, spricht mir eher von fanatischer Leidenschaft als von romantischer Liebe. Genau diese Schwäche, die ihn blind für Vernunft werden lässt, macht ihn auch gefährlich.
Sie flogen noch eine Treppe höher und erreichten nun Draculas Gemach. Hier hatte er vermutlich zu Lebzeiten in seinem schweren, aber einfach gehaltenen Bett geruht, nun legte er sich in dem Sarkophag nieder, den er sich neben seine alte Ruhestatt hatte stellen lassen. Auch hier fielen die bunten Teppiche ins Auge, die schimmernden Krüge und verzierten Glasgefäße, die zu seinen Lebzeiten sicher in kaum einer christlichen Burg zu finden gewesen sein durften. Obgleich er die Türken gehasst haben musste, ihre kunsthandwerklichen Schätze hatte er offensichtlich gerne gesammelt. Und auch ihre Waffen schienen es ihm angetan zu haben. Eine der Wände war bedeckt von Schwertern und anderen Hieb- und Stichwaffen, die eindeutig aus dem Morgenland stammten und sicher nicht für einfache Krieger gemacht worden waren. Die kunstvollen Ziselier- und Einlegearbeiten schimmerten im Mondlicht. An Elfenbein und Edelsteinen hatte man nicht gespart, um den Griff jedes Scimitars zu einem Schmuckstück zu gestalten und die Wichtigkeit des Trägers hervorzuheben. Auch ein stark gekrümmter osmanischer Säbel war dabei, der die dafür typische nach vorne sehr breite Klinge aufwies.
Wenn diese Säbel dort aus orientalischem Damast sind, dann sind sie ein Vermögen wert! Die Begehrlichkeit in Franz Leopolds
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