Die Erben der Nacht 04 Dracas
Hofball. Es ist kaum Mitternacht!«
Luciano nickte. »Ja, ich weiß, aber ich hatte keine rechte Freude daran.«
Hindrik nickte wissend und trat zurück. »Clarissa ist oben im Salon.«
Luciano war schon mitten auf der Treppe, als er innehielt und sich noch einmal umwandte. »Und wie ist ihre Stimmung?«
Sie wussten beide, dass Clarissa ihn nach seiner Rückkehr aus Transsilvanien mit mehr Groll als Erleichterung empfangen hatte und seine Liebesschwüre noch immer schroff von sich wies.
»So wie sich ein junges Mädchen eben fühlt, das nicht zum Ball geladen wurde und zu Hause bleiben muss, während alle anderen ihre Festgewänder anlegen und zum Tanz gehen.« Hindrik zeigte ein feines Lächeln voller Verständnis.
Luciano stöhnte. »Ich kann doch nichts dafür! Ich würde nichts lieber tun, als sie in die Hofburg auszuführen, aber die Dracas haben keinem Unreinen gestattet mitzukommen.«
Hindrik hob die Schultern. »Mir musst du das nicht erklären.«
»Ich weiß«, sagte der Nosferas bedrückt und stieg die letzten
Stufen fast widerstrebend hinauf. Er klopfte zaghaft an die Tür und trat dann in den dunklen Salon.
Clarissa stand am Fenster und sah in die Nacht hinaus. »Was willst du hier?«, fragte sie, ohne sich zu ihm umzudrehen. »Ist heute Nacht nicht der große Ball? Warum bist du nicht bei deinen Freunden und tanzt mit ihnen?«
»Ich habe mit Alisa getanzt, mit Ivy und Chiara und sogar einmal mit Joanne, was unter uns gesagt schauderhaft war. Ich glaube, ihr ist der Unterschied zwischen einem Zweikampf und Tanzen nicht ganz klar, aber das wollte ich gar nicht sagen. Es war alles wunderschön und prächtig, und dennoch habe ich mich unter all den Leuten einsam gefühlt. Ich konnte nur an dich denken und wollte nur dich im Arm halten, während wir uns im Walzerschritt drehen.«
»Man kann eben nicht alles haben und muss lernen, sich in Verzicht zu üben!«
»Warum? Warum verschließt du dich vor mir und weist mich ab? Ich liebe dich und werde jeden meiner Schwüre halten, den ich dir gegeben habe, wenn du mich nur lässt. Bitte!«
Nun drehte sich Clarissa doch um und sah ihn mit ernster, abweisender Miene an. »Ich kann nicht mit dir tanzen. Ich bin nur eine Unreine und auf den Hofball nicht geladen!«
Luciano lächelte sie an und trat näher. »Was brauchen wir den Hofball. Darf ich dich zum Tanz bitten?«
Clarissa runzelte die Stirn. »Was, jetzt? Hier?«
Luciano trat an den Tisch und entzündete die Kerzen des Leuchters und auch die auf dem Sekretär und in den Haltern an der Wand, bis der Salon fast so verschwenderisch erleuchtet war, wie die Räume der Hofburg.
»Ja, hier. Es ist genug Platz, ein wenig zu schwingen und zu drehen. Was brauchen wir mehr? Wir haben uns!«
Clarissa sah ihn noch immer ablehnend an. »Hast du nicht noch eine Kleinigkeit vergessen?«
Da erklangen leise Töne aus dem Musikzimmer, wehten über den Gang und drangen in den Salon. Hindrik? Luciano hatte nicht gewusst, dass er Pianoforte spielen konnte. Als die ersten kräftigen Akkorde erklangen, verbeugte sich Luciano vor Clarissa.
»Darf ich dich um diesen Walzer bitten? Es gibt nichts, was ich mir im Augenblick mehr wünsche, als dich in den Armen zu halten.«
Clarissa sah ihn verlegen an. »Ich glaube, ich kann nicht besonders gut tanzen«, sagte sie schüchtern.
Lucianos Lächeln hüllte sie ein. »Dann üben wir so lange, bis du es kannst. Die Nacht ist noch lang.«
Auffordernd hob er die Arme. Noch einen Moment zögerte Clarissa, dann trat sie vor, reichte ihm die Rechte und legte ihre Linke auf seinen Oberarm. Luciano wagte vorsichtig ein paar Schritte. Clarissa lag leicht in seinen Armen und bewegte ihre Füße mit Anmut. Nein, die Walzerschritte bereiteten ihr keine Schwierigkeiten. Er drehte sie erst zaghaft und dann immer schneller, bis ein Leuchten ihre Augen erhellte und ein Lächeln ihre Züge erstrahlen ließ.
»Entweder bist du eine Schwindlerin oder ein Naturtalent«, neckte Luciano nach einer weiteren Runde.
»Es ist so wundervoll«, brach es wie ein Schluchzen aus ihr heraus. »Ich wünschte, es würde niemals enden.«
Luciano hielt mitten in der Bewegung inne. Er zog sie noch näher an sich heran und küsste sie sanft auf den Mund. Clarissa sah ihn nur an. Zorn und Verbitterung waren aus ihrem Blick gewichen.
»Es wird niemals enden«, sagte Luciano leise, dann schwang er Clarissa wieder herum und wirbelte sie in weiten Kreisen durch den von Kerzenlicht erleuchteten
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