Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
den See tanzten. Dann schlenderten die Hamburger gut gelaunt unter den Arkaden oder tranken Tee und Kaffee auf der Terrasse des Alsterpavillons.
    »Es ist die prächtigste Promenade der Welt«, hörten sie eine junge Frau schwärmen, die, in ihren wärmenden Mantel gehüllt, am Arm ihres Kavaliers am Ufer entlangschritt.
    »Ja, das haben die Hamburger sehr schön angelegt und perfekt geplant«, stimmte er ihr zu.
    Alisa kicherte leise. »Schön ist es, aber ob es wirklich so geplant war? Manche sagen, Graf Adolf habe den Fluss nur ein wenig aufstauen wollen, um seine Kornmühle zu betreiben, doch seine ehrgeizigen Pläne seien außer Kontrolle geraten, als er die Alsterwiesen komplett flutete. Und da der See ganz nett war und eine Trockenlegung viel zu aufwändig, haben die Hamburger ihn behalten und den Mühldamm zum Jungfernstieg erhoben.«
    »Um später geborene Jungfern zum Schwärmen zu bringen«, ergänzte Leo und lachte ebenfalls. »Wer weiß, vielleicht kommt das der Wahrheit näher.«
    Sie gingen zu einem der Stege hinunter und setzten sich auf die Planken. Zwei Schwäne, die im nahen Schilf ruhten, hoben die Köpfe und sahen zu ihnen hinüber, eh sie ihre Schnäbel wieder zwischen die weißen Federn steckten.
    Alisa blickte über den See hinaus und seufzte. Ihre Hand schob sich zum wiederholten Mal in ihre Tasche, wo unter ihren Fingern ein Stück Papier knisterte.
    »Du machst dir Sorgen«, stellte Leo fest.
    »Ja, und nun sag bitte nicht, dass sie grundlos sind!«, gab sie fast ein wenig aggressiv zurück. »Ich weiß, dass er nichts schreibt, was Anlass zur Sorge gibt. Aber das ist es ja gerade. Er schreibt fast gar nichts.«
    Zu Alisas Überraschung nickte Leo. »Ja, ich denke auch, dass Luciano nicht ganz ehrlich ist.« Leo schnupperte vernehmlich. »Ich kann seine Anspannung förmlich riechen.«
    Alisa lachte. »Nein, kannst du nicht! Du kannst ja viel, und es gelingt dir auch immer noch, mich mit deinen Fähigkeiten zu erstaunen, aber Lucianos Stimmung aus dem Papier des Briefes zu wittern, ist unmöglich.«
    Leo wiegte den Kopf hin und her. »Glaube, was du willst. Ich jedenfalls bin überzeugt, dass Luciano unter großer Anspannung stand, als er diesen Brief schrieb, und in Wirklichkeit gar nichts in Ordnung ist.«
    Alisa legte das Kinn in ihre Hand. »Und was schlägst du vor?«
    Leo erhob sich und zog sie mit sich hoch. »Den nächsten Zug nach Venedig nehmen und nachsehen, was dort wirklich los ist, was denn sonst?«
    Alisa starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. »Meinst du das ernst?«
    »Natürlich. Oder hast du irgendwelche Einwände?«
    Alisa strahlte. »Nein, ich habe keine Einwände! Du bist der wunderbarste Vampir der Welt.« Sie küsste ihn, begann aber schon, loszulaufen. »Komm, schnell zurück zur Speicherstadt. Wir müssen uns zumindest von Dame Elina verabschieden. Das gebietet der Anstand.«
    »Und sie um Erlaubnis bitten?« Leo zog die Augenbrauen hoch.
    »Sie über unsere Pläne informieren«, korrigierte Alisa. »Wir haben unser Ritual begangen und sind erwachsene Clanmitglieder, die selbst entscheiden.«
    »Ich hoffe, Dame Elina sieht das ebenso«, murmelte Leo, der sich von Alisa über den Jungfernstieg ziehen ließ. Für die Schönheit der Promenade und den nächtlichen See hatten sie kein Auge mehr.
    ***
    Die Nacht neigte sich viel zu schnell dem Ende zu. Luciano hatte sie genossen, das musste er zugeben, auch wenn ihn nun das schlechte Gewissen antrieb, so schnell wie möglich zur Ca’ Dario zurückzukehren.
    Er war auf dem Rialtomarkt gewesen, wo es selbst in der Nacht noch immer nach dem Fisch und Gemüse roch, das tagsüber hier verkauft wurde. Dann war er über die berühmte Brücke mit ihren beiden Ladenzeilen geschlendert und hatte sich schließlich dem Strom der fröhlichen Menge angeschlossen, die ihn durch das alte Handelszentrum mit seinen feinen Geschäften trieb. Dort hatte er Handschuhe, Schal und weiße Seidenhemden erstanden, doch auch an Clarissa hatte er gedacht und ihr einen Fächer und einen schwarz schimmernden Domino mit einer Samtmaske gekauft  – nachdem er zwei unachtsame Reisende aus England um ihre üppig gefüllten Börsen und ein wenig Blut erleichtert hatte.
    Dann betrat er das Atelier eines Schneiders und bestellte einen Cut und einen festlichen Frack für den Abend. Den Schneider, der von seinem Handwerk etwas zu verstehen schien, ließ er ungeschoren. Nur seinem Lehrjungen raubte er noch einen weiteren Schluck Blut, dann machte er

Weitere Kostenlose Bücher