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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Bahnhofsgebäude. Für die Wagen der unteren Klasse interessierte sich niemand. Ein paar müde aussehende Männer in Arbeitshosen stiegen aus. Ihnen folgte eine Familie mit fünf Kindern, die sich neugierig umsahen. Tammo ließ den Blick weiter zum Gepäckwagen wandern. Die schwere Schiebetür wurde von innen von einer erstaunlich zarten Hand aufgestoßen. Dann kam eine weibliche Gestalt in Sicht, die begann, einen Koffer nach dem anderen auf den Bahnsteig zu wuchten. Nein, das war nicht ganz richtig. Sie hob die großen Gepäckstücke, die sehr schwer sein mussten, einfach so heraus, als wären es Hutschachteln  – von denen dann auch noch vier folgten. Danach sprang sie auf den Bahnsteig hinunter, stellte sich neben den Gepäckberg und faltete abwartend die Hände vor ihrem einfachen Kleid.
    Tammo zog erstaunt die Brauen hoch. Was um alles in der Welt hatte dies zu bedeuten?
    Ihr Körper strahlte keine Wärme aus. Ganz klar, sie war eine Vampirin, und von irgendwoher kannte Tammo sie. Eine Vamalia war sie aber ganz sicher nicht. Er starrte zu der kleinen schwarzhaarigen Frau hinüber, deren Züge ein wenig slawisch wirkten.
    Da tauchte noch eine Vampirin auf, und endlich fiel der Groschen.
    »Hast du alles, Rajka?«, erkundigte sich die andere. Im Gegensatz zu Rajka war sie sehr groß und außerordentlich gut gewachsen. Ihr Gesicht war so strahlend schön, dass es beim Betrachten fast schmerzte. Sie hatte ihre dunklen Locken zu einer kunstvollen Frisur aufstecken lassen, auf der ein keckes Hütchen nach der neusten Mode saß. Auch ihr Körper steckte in einer Robe, die einfach nur atemberaubend zu nennen war.
    Plötzlich richtete sich ihr Blick auf die Stelle, an der sich Tammo im Schatten verbarg. Er wich weiter um die Ecke zurück, doch er konnte spüren, wie ihre Gedanken nach ihm suchten. Unsichtbare Finger glitten über seinen Köper und betasteten seinen Geist. So sehr er sich auch wehrte, er konnte die Umklammerung nicht abschütteln.
    »Tammo? Was tust du da? Komm hervor!«
    Er war entdeckt worden. Verfluchte Dracas mit ihrer Fähigkeit, Gedanken zu lesen!
    Mit brummiger Miene trat er vor und ging den beiden Frauen entgegen.
    »Anna Christina, was für eine unwillkommene Überraschung«, sagte er ungnädig. »Was willst du hier?«
    »Deinen Gedanken und Worten entnehme ich, dass mich mein erster Einfall trog. Du bist nicht gekommen, um mich abzuholen. Ich dachte schon, mein herzallerliebster Vetter habe meine Absichten geahnt, doch dann müsste ich mich fragen, warum er nicht selbst hergekommen ist und stattdessen ausgerechnet dich geschickt hat.«
    »Falls dein herzallerliebster Vetter geahnt hat, dass du kommst, dann hat er das einzig Richtige gemacht und das Weite gesucht!«, konterte Tammo. Sie betrachteten sich mit gegenseitiger Abneigung.
    »Was willst du damit sagen?«, erkundigte sich Anna Christina und rief dann, als sie Tammos Gedanken auffing, überrascht aus: »Venedig? Ist das dein Ernst? Er ist mit Alisa nach Venedig gefahren? Doch nicht auf Hochzeitsreise oder so etwas in der Art? Ich fasse es nicht. Wie spießbürgerlich!«
    »Dein Vetter ist tief gesunken, seit er sich mit einer Vamalia eingelassen hat, nicht wahr?«, kommentierte Tammo sarkastisch.
    »Das kann man wohl sagen«, bestätigte sie zu seinem Ärger ernsthaft.
    Tammo versuchte, sich nicht provozieren zu lassen, und entgegnete so kalt wie möglich: »Du siehst, du hast den weiten Weg umsonst zurückgelegt. Das Beste ist, du steigst wieder in den Zug und fährst zurück nach Wien, wo du hingehörst.«
    Anna Christina lächelte kühl. »Danke für den Rat, kleiner Vamalia. Das werde ich wohl tun, denn mir ist nicht danach, unnötigerweise auch nur einen Tag in eurem Speicher zu verbringen, in dem ihr jetzt wie die Lagerratten haust.«
    Wieder starrten sie sich gegenseitig an, bis Anna Christina plötzlich die Lippen verzog und ihre weißen Zähne zeigte.
    »Wir haben noch gar nicht darüber gesprochen, was dich in dieser Nacht zum Bahnhof getrieben hat. Nun, lass mich in deinem Geist lesen. Ich gehe jede Wette ein, dass du etwas Verbotenes im Sinn hast.«
    Tammo versuchte mit aller Kraft, ihren Angriff auf seine Gedanken abzuwehren, doch ehe er es schaffte, seinen Geist zu verschließen  – so wie Leo es ihm beigebracht hatte  – , war es Anna Christina bereits gelungen, einige Gedankenfetzen zu erhaschen.
    »Etwas Verbotenes, wie ich es mir dachte. Du willst diesen Zug nehmen und  – ja, natürlich  – hinter Leo und

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