Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)
Schmerzen!«, behauptete Leo und sah sie scharf an. Alisa öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, doch er fiel ihr ins Wort.
»Du brauchst es nicht abstreiten. Ich kann deine Schmerzen spüren. Der gebrochene Knochen in deinem Bein ist noch nicht verheilt. Du bleibst heute hier, und ich mache mich mit Luciano zusammen auf, einen strategisch günstigen Punkt für unsere Beobachtungen zu suchen.«
»Ich schaff das! Das war … « Sie suchte nach Worten. » … nur ein dummer Unglücksfall.«
Leo runzelte die Stirn. »Ach ja? So wie Lucianos unfreiwilliges Bad im Kanal?«
»Erinnere mich nicht daran«, wehrte Luciano ab. »Musst du auf jeder Peinlichkeit immer wieder herumreiten?«
»Darum geht es im Moment nicht«, widersprach Leo. »Das ist kein Zufall! Gut, ich gebe zu, als ich von deiner missglückten Wandlung erfuhr, habe ich es genau dafür gehalten, für ein Missgeschick, das dir passiert ist, weil Wandlungen eben nicht deine Spezialität sind und du dich vielleicht nicht richtig konzentriert hast. Aber nun?«
»Du meinst, nachdem Alisa das Gleiche passiert ist, ist es etwas ganz anderes?«, hakte Luciano nach.
»Genau!« Leo zog eine Grimasse. »Nein, du musst jetzt nicht gleich den Beleidigten spielen. Auch dir dürfte nicht entgangen sein, dass Alisa während der ganzen Akademiezeit eine der brillantesten Schülerinnen war – neben uns Dracas natürlich«, fügte er hinzu.
Luciano ging nicht auf die Provokation ein.
»Jedenfalls sollte es uns in Alarm versetzen, wenn auch Alisa eine Wandlung misslingt, und wir müssen uns fragen: Wie kann das sein?«
Die beiden Vampire sahen Alisa an, die nur ratlos mit den Achseln zuckte.
»Vielleicht wurde meine Konzentration durch das Niesen zu sehr gestört.«
»Bitte?« Leo hob die Brauen.
»Ich musste bei der Wandlung niesen, und dann hat es nicht mehr funktioniert.«
»Schon wieder dieses Niesen«, ereiferte sich Luciano. »Vampire niesen nicht. Aber in diesem verfluchten Palazzo musste ich dauernd niesen. Überall dieser dunkle Staub, der einem in die Nase steigt.«
»… und unsere Sinne verwirrt«, ergänzte Leo. »Vielleicht ist es das.«
Alisa ließ sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf ihren geschlossenen Sarg sinken und streckte das verletzte Bein aus. Aufmerksam sah sie Leo an. »Du meinst, diese Asche oder der Staub oder was auch immer es ist, den diese Männer zurücklassen, trübt unseren Geruchssinn und beeinträchtigt unsere magischen Kräfte?«
»So scheint es«, stimmte ihr Leo zu. »Deshalb können wir ihre Fährten nicht aufspüren. Die Frage ist nur, setzen sie diesen Staub absichtlich zu diesem Zweck ein oder ist das Zufall?«
»Ist doch egal«, schimpfte Luciano. »Ich finde die Frage viel entscheidender, wie wir es schaffen, dieses Zeug in Zukunft nicht mehr einzuatmen, um uns das nächste Mal nicht wieder von einem dieser Vermummten abhängen zu lassen, wenn er mit seinem Umhang über Gassen und Plätze segelt.«
Alisa und Leo konnten dem nur zustimmen. Eine Turmuhr schlug in der Nähe die nächste Stunde und erinnerte die Erben daran, wie die Zeit verstrich.
»Lasst uns gehen«, drängte Alisa. »Nicht, dass wir sie verpassen.« Sie erhob sich, wobei sie darauf achtete, nur das unversehrte Bein zu belasten.
»Du gehst heute Nacht nirgendwo hin!«, widersprach Leo. »Nicht solange du dich nicht wieder ungehindert bewegen kannst. Wenn wir uns nicht wandeln können, müssen wir von Dach zu Dach oder über Kanäle springen. Das schaffst du in diesem Zustand nicht.«
Alisa setzte zu einer Widerrede an, blieb dann aber stumm und seufzte nur kaum hörbar. »Du hast ja recht. Es wäre unverzeihlich, wenn ich euch mit diesem blöden Bein aufhalten würde.«
Leo trat auf sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »So ist es vernünftig. Du bleibst hier, beobachtest den Campo und den Garten und meldest dich, wenn etwas geschieht.«
Die beiden Vampire strebten auf die Tür zu, gefolgt von Alisas sehnsüchtigem Blick. Plötzlich zuckte Leo zurück, als habe er einen unsichtbaren Schlag erhalten.
»Was ist?«, fragten Alisa und Luciano gleichzeitig, doch Leo antwortete nicht. In seinem Gesicht zeichnete sich Verwirrung ab, dann schüttelte er ungläubig den Kopf.
»Ich fasse es nicht.«
»Was?«, drängten die anderen.
»Anna Christina! Ich höre ihre Stimme in meinem Geist.«
»Sicher?«, argwöhnte Luciano.
»Kein Zweifel.«
»Sie kann von Wien bis hierher Kontakt mit dir aufnehmen? Unglaublich!« Alisa machte
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