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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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worden waren. Es mussten mehrere Tausend gewesen sein.
    Sie verließen die Cité und schlenderten in Richtung Jardin des Plantes. Latona hatte ihre Hand in Brams Armbeuge gelegt und
passte sich seinem ausgreifenden Schritt an. Ihre für die Pariser Mode zu weiten Röcke schwangen um die Knöchel, und sie genoss es, nicht zu dem enervierenden Trippelschritt der Damen gezwungen zu sein.
    Bram Stoker war ein ernsthafter Mann, doch gerade das fand Latona anziehend. Er versuchte nicht, sie mit irgendwelchem hohlen Gesellschaftsklatsch zu unterhalten, und behandelte sie auch nicht wie ein zerbrechliches Wesen, dem man höchstens den Geist eines Spatzes zuschrieb. Er unterhielt sich angeregt mit ihr und hörte aufmerksam zu, wenn Latona etwas von ihren Erfahrungen berichtete, die sie auf ihren Reisen mit ihrem Onkel gesammelt hatte. Wie selbstverständlich kamen sie auf die Phänomene der Wiedergänger und anderer Untoten und vor allem auf Vampire zu sprechen. Erstaunlich, was Bram Stoker alles wusste. Er schwärmte von einem ungarischen Wissenschaftler, den er gerne einmal getroffen hätte. Ármin Vámbéry war sein Name.
    Sie lenkten ihre Schritte in den Tiergarten bis zu der Stelle, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Bram schlug gerade vor, sich auf den Rückweg zu machen, als Latona erstarrte. Was war das dort oben auf dem efeuüberwucherten Felsen? Mit den hölzernen Bewegungen einer Puppe tappte sie näher. Sie beschirmte die Augen und blinzelte.
    »Miss Latona? Was ist mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut? Kommen Sie, Sie sollten sich ein wenig auf der Bank dort drüben ausruhen. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich Sie an diesem warmen Tag zu einem solch langen Fußmarsch mitgenommen habe.«
    Ein Teil ihres Geistes registrierte, dass Bram plötzlich unsinnige Dinge redete, doch der größte Teil war auf das kleine rote Ding auf dem Felsen gerichtet. Obwohl es nicht sein konnte, wusste Latona, was der Anblick der roten Maske zu bedeuten hatte: Malcolm musste sich hier in Paris befinden. Es konnte gar nicht anders sein, denn jede Faser ihres Selbst wollte, dass es so war.
    Aber warum hatte er die Maske dort oben platziert? Es durchfuhr sie wie ein Blitz: Malcolm war in dieser Nacht hier gewesen! All ihre Sinne hatten es ihr sagen wollen, sie war jedoch nicht bereit gewesen,
es zu glauben. Er war hier gewesen und hatte sie beobachtet und nun sandte er die rote Maske als Zeichen.
    »Mr Stoker, könnten Sie mir bitte die Stoffmaske von diesem Felsen herunterholen?«, bat sie ihn, ohne sich darum zu kümmern, wie unhöflich es war, ihm ins Wort zu fallen.
    »Was?« Er blinzelte irritiert.
    »Mir geht es wunderbar. Sie können mich ruhig wieder loslassen«, sagte Latona ungeduldig. »Ich möchte nur die Maske von dort oben!«
    Bram Stoker warf ihr noch einen besorgten Blick zu, dann näherte er sich dem Fels und versuchte, ihrem Wunsch nachzukommen. Er brauchte zwar eine Weile und glitt zweimal von den glatten Steinen ab, doch schließlich hielt er die Maske in den Händen und reichte sie seiner Begleiterin mit einer Verbeugung.
    Ohne darüber nachzudenken, welchen Eindruck es auf Bram machen würde, drückte sie die Maske an Mund und Nase, sog den Geruch ein und küsste den roten Stoff. Bildete sie sich das nur ein oder konnte sie Malcolms Duft tatsächlich riechen? Ihr Herz schlug unregelmäßig. Malcolm war hier gewesen und hatte dieses Zeichen für sie hinterlassen. Eine andere Möglichkeit wollte sie gar nicht in Betracht ziehen. Es wäre zu schmerzhaft gewesen.
    »Kennen Sie diese Maske? Gehe ich recht in der Annahme, dass sie ein Zeichen für Sie war?«
    Neugierig sah Bram das Mädchen von der Seite an, während sie sich durch den Park zurückführen ließ. Latona überlegte, wie viel sie diesem Mann anvertrauen konnte. Immerhin schien er viel von Vampiren zu verstehen und sah seine Lebensaufgabe nicht darin, sie zu vernichten. Zögernd begann Latona, von Rom zu erzählen. Über ihre entflammten Gefühle und den Kuss sprach sie nicht, doch vielleicht konnte sich Bram den Rest ja zusammenreimen.
    Eine Nachricht für Malcolm zu hinterlassen, kam Latona nicht in den Sinn. Wozu? Malcolm war ein Vampir und in ihren Augen allmächtig. Wie sonst hätte er sie so weit weg von Rom in Paris aufspüren können? Da schien es eine Kleinigkeit, das Hotel, in dem sie wohnte, ausfindig zu machen.

    »Du nimmst uns heute Nacht mit? Nein, wie gnädig!«, sagte Franz Leopold sarkastisch und deutete eine spöttische Verbeugung

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