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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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unseres Freundes einen Dämpfer versetzen.«
    »Na, sie leidet auch nicht gerade an Selbstunterschätzung«, meinte Luciano.
    Alisa hob die Schultern und lächelte zu ihm hoch. »Man kann nicht alles haben. In diesem Fall ziehe ich es vor, dass Leo eine Lektion erteilt bekommt. Das kann für ihn nur von Nutzen sein.«
    »Ob er das auch so sieht?«, meinte Luciano grinsend.
    »Das ist mir egal, Hauptsache, er wird ein wenig zurechtgestutzt!«

    »Muss er das denn?«, fragte Ivy, die unbemerkt hinter sie getreten war und den Kampf ebenfalls aufmerksam verfolgte.
    »Aber ja!«, riefen Luciano und Alisa gleichzeitig.
    Ivy seufzte und schüttelte den Kopf. »Ist euch nicht aufgefallen, wie sehr er sich in den vergangenen beiden Jahren verändert hat?«
    »Das ist mir entgangen. Du bist viel zu weich, Ivy, und voreingenommen, was Leo betrifft«, sagte Luciano. Alisa dagegen schwieg. Ein nachdenklicher Ausdruck trat in ihre Miene.
    Mehr als eine Stunde wogte der Kampf hin und her, ohne dass einer der beiden die Oberhand gewinnen konnte. Schließlich ließen sie beide die Spieße sinken, lächelten einander an und neigten die Köpfe.
    »Es war mir ein Vergnügen«, sagte Franz Leopold gelassen, als habe er die Stunde lesend in seinem Sarg verbracht.
    »Mir auch«, gab Anna Christina zu, und ihre Augen blitzten. Alisa dachte, dass sie niemals schöner ausgesehen hatte.

VERDI IN DER OPER
    Ein Herr erwartete sie in der Halle? Latona sah den Pagen neugierig an. Sie kannte nicht viele Herren, die in ihrem Hotel vorsprechen würden und sie zu sehen wünschten.
    »Hat er dir denn keine Karte gegeben?«
    »Oh, Verzeihung Mademoiselle, natürlich.« Der Page wurde rot und überreichte ihr die Karte mit einer übertrieben tiefen Verbeugung.
    Bram Stoker, natürlich, wer sonst? Was er wohl wollte? Ein angenehmes Prickeln lief ihren Rücken hinunter. Latona wäre fast losgeeilt, womöglich mit gerafften Röcken in die Halle gestürzt, doch sie erinnerte sich gerade noch rechtzeitig daran, was sich schickte. Sie dankte dem Pagen und sandte ihn mit der Nachricht zurück, sie werde hinunterkommen, sobald es ihr möglich sei. Dann schloss sie mit klopfendem Herzen die Tür. Sie konnte sich ihre Reaktion nicht erklären. Bram Stoker war mit seinen mehr als dreißig Jahren fast ein alter Mann in ihren Augen. Doppelt so alt wie sie selbst. Latona war also keinesfalls in ihn verliebt. Es war eher so eine Ahnung, dass sein Besuch etwas Aufregendes bedeutete. Mit verschränkten Armen blieb sie an die Tür gelehnt stehen und überlegte, wie lange sie ihn warten lassen sollte. Was war einer Dame von Welt angemessen? Latona hatte keine Ahnung. Sie ging in ihr Schlafzimmer und griff nach der roten Maske, die Bram Stoker von der Mauer geholt hatte. Sie presste den weichen Stoff gegen ihre Wange. So verharrte sie eine Weile. Nach kaum fünf Minuten hielt sie es nicht mehr aus, verstaute die Maske in ihrem Ridikül und eilte zum Aufzug, um sich vom Liftboy in die Halle fahren zu lassen.
    »Mr Stoker, was für eine Überraschung«, begrüßte sie ihn und reichte ihm die Hand. »Was führt Sie hierher?«
    Er geleitete sie zu einem Tischchen abseits in einer Nische, bestellte
für sich Tee und für Latona eine heiße Schokolade und Gebäck, ehe er sie von ihrer Ungeduld erlöste.
    »Ich bin gekommen, um Sie zu fragen, ob Sie morgen Abend mit mir ausgehen würden.« Sie sah ihn erstaunt an, und er beeilte sich zu versichern. »Meine Absichten sind vollkommen ehrenhaft … Mir ist klar, dass Ihr Onkel Einwände erheben könnte, aber ich schwöre …«
    »Beim Grab Ihrer Mutter?«
    »Beim Grab meiner …« Er sah sie an. »Sie machen sich über mich lustig!«
    Latona kicherte. »Ja, Mr Stoker. Wohin wollen Sie denn mit mir gehen?«
    »Es ist mir gelungen, für morgen Abend zwei Karten für die Oper zu bekommen. Es ist die Sensation in Paris. Verdi dirigiert seine Aida !«
    Latona machte große Augen. »Ich habe davon gehört. Heute Morgen beim Frühstück haben alle davon gesprochen. Doch was ist mit Ihrem Freund Oscar? Möchte er Sie nicht begleiten?«
    Bram wirkte ein wenig verlegen. »Nein, es sind leider nur Karten im Parkett, und er sagte mir, dass nichts auf der Welt ihn noch einmal dazu bringen könnte, zwischen - äh - Leuten zu sitzen, die nicht der Gesellschaft angehören.«
    Latonas Lächeln vertiefte sich. »Hat er das so formuliert? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    Bram lächelte etwas schief zurück. »Nein, seine Wortwahl war: unter dem

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