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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Stadt vorüberziehen.«
    Der Mann drehte sich um und musterte seine Nichte. »Und dir ist nichts aufgefallen? Latona, habe ich dir nicht beigebracht, wie wichtig es ist, seine Sinne wachsam schweifen zu lassen und alles aufzunehmen, was sie erfassen können? Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Untergang und Überleben. Das kann den kleinen Vorteil bringen, den es braucht, zu entkommen oder sich siegreich zu wehren!«
    Ein Ausdruck der Belustigung erhellte das bis dahin düster wirkende Gesicht des Mädchens. »Onkel, ich bitte dich. Langsam wird dir dieses Prinzip zum Wahn. Wir sind in einem Zug und fahren nach Westen. Du tust gerade so, als befänden wir uns noch an einem Kriegsschauplatz zwischen wilden Barbaren. Das haben wir hinter uns!«
    Carmelo nickte. In seinem Lächeln stand fast so etwas wie Zärtlichkeit, eine Regung, die er sich nur selten erlaubte. »Ich stimme dir zu, Latona, und genau das habe ich in den Wiesen, den ordentlich bestellten Feldern, den Dörfern und selbst den wohlgenährten Kühen dort draußen gelesen. Bald werden wir München erreichen und den Zug verlassen. Pack deine Sachen, dass wir schnell vorankommen. Ich glaube, der Anschlusszug steht schon bereit.«
    »Fahren wir gleich weiter nach Paris?«, fragte Latona eifrig.
    Carmelo schüttelte den Kopf. »Später, meine Liebe. Ich muss vorher noch etwas in Amsterdam erledigen.«
    »Amsterdam? Was wollen wir denn da?«, rief Latona aus.
    »Ich möchte die persönliche Bekanntschaft eines Mannes machen, den ich bisher nur aus einigen Briefen kenne, die wir uns vor Jahren geschrieben haben.«
    »Was für ein Mann?«, bohrte Latona nach.

    »Ein Professor der Universität.«
    »Und was unterrichtet er? Was ist sein Fachgebiet?« Zu ihrer Verwunderung sah der Onkel ein wenig verlegen aus.
    »Seltene Krankheiten«, sagte er schließlich.
    »Du fährst zu einem Medizinprofessor nach Amsterdam? Gibt es etwas, das du mir verschweigst? Fühlst du dich nicht wohl, Onkel?« Sie musterte ihn kritisch. Er wirkte nicht kränklich. Seine Wangen hatten eine gesunde Farbe, sein Appetit war wie immer prächtig.
    Carmelo hob abwehrend die Hand. »Aber nein, ich suche ihn nicht wegen eines verborgenen Leidens auf. Es ist eher - sagen wir, die Neugier, die mich treibt.«
    Zu Latonas Überraschung schien ihr Onkel sich nun noch unwohler zu fühlen.
    »Wonach forscht er genau?«
    »Er ist ein Spezialist für obskure Krankheiten.«
    »Und der Name dieses Professors?«
    Carmelo wand sich, aber Latona hielt ihn mit diesem Blick gefangen, der die Menschen an ihr so irritierte. »Onkel? Du wirst doch seinen Namen wissen, wenn du schon mit ihm korrespondiert hast!«
    »Ja, ja, ich weiß ihn, doch er wird dir nichts sagen«, fügte er hoffnungsvoll hinzu. »Er lautet Abraham van Helsing.«
    Latonas Miene verdüsterte sich. Sie legte die Stirn in Falten und kniff die Augen zusammen. »Obskure Krankheiten, sagst du? Interessiert er sich etwa besonders für jene, die mit Blutarmut und Verwirrung einhergehen? Mit Schwäche und Schwindel und bei schweren Fällen mit Gedächtnisverlust und seltsamen Aggressionsschüben?«
    Die Verlegenheit des Onkels stieg. »Schon möglich.«
    »Du weißt es genau. Deshalb willst du zu ihm. Van Helsing ist ein Vampirjäger!«
    Carmelo protestierte halbherzig. »Er erforscht die Phänomene des Vampirismus in verschiedenen Ländern dieser Erde. Er ist keiner, der mit Schwert und Pflock umherzieht.«
    »Aber er hat schon Vampire vernichtet«, beharrte Latona.
    »Kann sein. Ich möchte mich ja nur ein wenig mit ihm unterhalten.«

    Latona trat vor und stach ihrem Oheim den Zeigefinger in die Brust. »Das will ich hoffen. Muss ich dich an das Versprechen erinnern, das du in Rom gegeben hast? Du wirst keine Vampire mehr jagen, denn sonst werden sie dich suchen - und finden. Noch einmal kommen wir nicht mit dem Leben davon!«
    »Ich habe geschworen, um Rom einen großen Bogen zu machen, und daran werde ich mich halten«, sagte Carmelo ausweichend.

DAS GÄNGEVIERTEL FÄLLT
    »Was machen wir? Jedenfalls nicht hier herumsitzen!«, sagte Luciano und sah Alisa erwartungsvoll an.
    Überraschenderweise hatten sie die ersten Stunden des Abends bis Mitternacht frei. Dame Elina wirkte seltsam erregt und berief eine Besprechung mit den wichtigsten Clanmitgliedern ein. Hindrik hatten sie heute Abend noch gar nicht gesehen. Berit, die Servientin, die ihnen in der ehemaligen Küche frisches Tierblut vom nahen Schlachthof ausgeschenkt hatte, wusste

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