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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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verborgene Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Gemessenen Schrittes ging er von einem Leuchter zum nächsten, um die Kerzen zu entzünden. Alisa stand neben Franz Leopold und konnte ihre Ungeduld nicht unterdrücken. Warum sagte er nichts? Warum musste er jetzt so viele Kerzen entzünden? Es gab Wichtigeres zu tun. Die Zeit drängte! Alisa öffnete den Mund, um ihn zur Eile anzutreiben, doch Franz Leopold griff nach ihrer Hand und drückte sie schmerzhaft zusammen.
    »Lass ihn«, flüsterte er. »Störe ihn jetzt nicht. Er denkt darüber
nach, ob er jemals etwas gehört oder gelesen hat, das uns helfen kann.«
    Wieder einmal verspürte Alisa einen kurzen Anflug von Neid auf diese unschätzbare Fähigkeit, die Gedanken von Menschen und anderen Vampiren lesen zu können.
    Endlich hielt Erik inne, löschte den dünnen Span, mit dem er die Kerzen entzündet hatte, und kam auf sie zu. Alisa hielt den Atem an.
    »Nein«, sagte er bedauernd. »Ich habe auch noch nie von einem derartigen Vorfall gehört, obwohl ich gelesen habe, dass es in Persien einst Vampire gegeben haben soll, die auf geheimnisvolle Weise verschwunden sind. Das ist aber mehr als einhundert Jahre her und ich weiß nichts Näheres darüber.«
    Alisa war so enttäuscht, dass es sich anfühlte, als habe er ihr einen Schlag versetzt. »Aber irgendeine Erklärung muss es geben - und auch ein Heilmittel. Die Menschen haben unglaubliche Fortschritte in der Medizin gemacht. Es kann nicht sein, dass sich gegen dieses Leiden nichts finden lässt.«
    Erik sah sie aufmerksam an. »Du glaubst, es ist eine Krankheit wie Pest oder Cholera?«
    »Was könnte es sonst sein?«
    Erik ging ihnen voran in seine Bibliothek. Er strich an den Regalen entlang und zog immer wieder ein Buch heraus, das er Alisa und Franz Leopold reichte, bis sie einen ganzen Stapel in den Armen trugen, während er laut weiterüberlegte.
    »Falls es eine der bekannten Krankheiten ist, dann stellt sich die F rage, warum Vampire, die bisher immer immun dagegen waren, nun plötzlich befallen werden? Seht unter den Symptomen der Seuchen und Schwächen nach, die in dem dicken Buch mit dem roten Einband aufgelistet sind. Wir müssen allerdings berücksichtigen, dass sich die Krankheitszeichen bei Vampiren anders äußern könnten.«
    »Genauso wie die Wirkung der Heilmittel«, ergänzte Alisa. Erik nickte.
    »Richtig. Auch das wissen wir nicht. Das müsste man ausprobieren, doch zuerst müssen wir herausfinden, woran sie leiden.«

    »Und wie sie sich das Leiden zugezogen haben«, meinte Franz Leopold, der in einem weiteren medizinischen Werk blätterte. »Hier steht, dass das enge Zusammenleben der Menschen und die unsaubere Trennung ihres Trinkwassers von den Jauchegruben die Krankheiten von einem zum anderen überspringen lassen, dass aber auch Ratten die Seuchen ins Haus bringen.«
    Erik wiegte den Kopf hin und her. »Vieles hat mit dem Blut zu tun. Manche sagen, es seien gar nicht die Ratten selbst, sondern die Flöhe, die von Mensch zu Mensch und von Ratte zu Ratte springen, hier und dort ein wenig saugen und so das schlechte Blut verbreiten. Die Mutter des Schahs von Persien, die stets Vergnügen daran fand, neue Foltermethoden zu erfinden, hat einen Versuch gemacht. Es wurde eine ihrer Strafmaßnahmen. Sie nahm ein Messer, ritzte die Haut eines Todkranken und dann - mit der noch blutigen Klinge - die des Menschen, der gewagt hatte, ihren Zorn zu entfachen. Meist brach dieselbe Krankheit nach wenigen Tagen aus und sie starben qualvoll.«
    »Warum hat sie diese Menschen nicht gleich töten lassen? Mit einem Schwert ein sauberer Stich?«, fragte Alisa. »Außerdem hatte sie doch diesen vergifteten Dolch.«
    »Du hast das Wesen der Khanum nicht erfasst. Sie ergötzte sich an der Todesangst. Die Verurteilten wussten, was sie tat, und doch ist die Hoffnung des Menschen mächtigster Verbündeter. So lebten sie zwischen Hoffen und Todesangst, wachten über ihren Körper, zitterten bei den ersten eingebildeten Anzeichen, bis die echten Symptome ausbrachen und ihnen die Hoffnung Stück für Stück zerbrach, bis nur noch der Todeskampf übrig blieb.«
    »Du meinst, die Ratten könnten die Krankheit zu den Pyras bringen?«, überlegte Alisa. »Das ist gar nicht so abwegig. Jeder umgibt sich mit einer ganzen Schar. Die Ratten sind einfach überall.«
    »Vampire werden nicht von Flöhen gestochen«, wandte Franz Leopold ein. »Wir Dracas jedenfalls nicht. Bei den Pyras wäre ich mir da allerdings nicht so

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