Die Erben der Nacht - Pyras
breiten weißen Löffel in
die Hitze der Flamme, bis Franz Leopold einen silbernen Schimmer wahrzunehmen glaubte. Ein ätzender Hauch umwehte ihn.
Stille kehrte ein. Die Stimmung veränderte sich. Neugier und hoffnungsvolle Erwartung traten an die Stelle von Zorn und Hass. Alle Augen waren auf das Phantom gerichtet, bis es die Utensilien seiner alchemistischen Untersuchung beiseitestellte und die Flamme löschte. Erik hob das Gesicht mit der weißen Maske.
»Und? Weißt du nun, wie der Stoff heißt, der uns zerstört?«, stellte Ivy die Frage, die alle auf den Lippen trugen.
Erik nickte. »Ja, ein altbekanntes, mächtiges Gift. Es kommt unsichtbar und geruchlos daher, wälzt sich unerkannt über den Grund und sammelt sich in Vertiefungen. Von manchen Doktoren noch immer zur Heilung geschätzt, von vielen modernen Ärzten jedoch als zu schädlich und gefährlich aus ihren Therapien verbannt.«
»Wie heißt es?«, fragte Ivy, und Franz Leopold konnte sie nur bewundern, wie ruhig sie noch immer blieb. Er hätte das Phantom am liebsten geschüttelt und angeschrien, er solle endlich damit herausrücken. Doch vielleicht war das seine Rache für die ihm entgegengebrachte Feindseligkeit. Er kostete den Moment aus und zog ihn in die Länge.
»Ein interessanter Stoff«, sagte Erik und grinste grimmig. »Schon im Altertum war er bekannt und seine Gewinnung Jahrhunderte vor der Geburt Christi von Thephrastus beschrieben. Die Griechen nannten ihn hydrargyrum - Wassersilber, und Paracelsus mischte ihn in seine Salben. Eine Renaissance erlebte er, als die Syphilis, von Spanien herkommend, ihren grausigen Siegeszug durch Europa antrat.«
Alisa schrie auf und schlug sich die Hand vor den Mund. Franz Leopold warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Quecksilber!«, flüsterte sie.
Franz Leopold war wider Willen beeindruck. Es gab einfach nichts, über das Alisa nicht Bescheid wusste. Wie machte sie das nur? Schließlich hatte sie nicht wie Ivy schon ein ganzes Jahrhundert Zeit gehabt, sich dieses Wissen anzueignen.
Erik nickte anerkennend. »Ja, das lebendige Silber, so schön und so tückisch! Und wie wir jetzt feststellen müssen, offensichtlich nicht
nur für Menschen schädlich.« Wieder hustete er. »Es ist das einzige Metall, das bei normalen Temperaturen flüssig ist. Doch es verdampft sehr leicht zu einem Gas.«
»Farblos, geruchlos und tödlich«, sagte Alisa erschüttert - und plötzlich wusste sie, wie sie es gemacht hatten. Erregung erfasste Alisa. Sie eilte zu Erik und rollte Malcolms Karte auf dem Boden auf, sodass das Areal unter dem Val de Grâce zu sehen war. Franz Leopold und Luciano traten ebenfalls näher. Alisa zeigte auf die Stelle, an der der undefinierte Bereich in feste Linien überging. »Seht ihr. Die Mauer kann nicht sehr dick sein. Und direkt dort hinter dieser Wand ist die Leitung für Druckluft, die die Menschen neu gebaut haben. Ich gehe jede Wette ein, dass sie das Gift über diese Leitung verteilen. Wenn ich damit falschliege, will ich mich nie mehr aus meinem Sarg erheben!«
»Oh, dieser Wunsch kann dir schnell erfüllt werden. Vermutlich musst du deinen Sarg nur ein paar Tage vor diesen Spalt stellen.« Franz Leopold lächelte nicht bei dieser Vorstellung.
Erik beugte sich über die Karte und fuhr mit dem Finger an der Leitung entlang. Sie führte im Bogen um die Höhlen, durchbrach südlich davon eine Wand, verlief noch ein Stück geradeaus und endete dann in einem Symbol unter einem großen Gebäude.
»Das Hôpital Cochin«, sagte er. »Ja, das passt.«
»Von dort stammt das Quecksilber«, ergänzte Alisa aufgeregt. »Sie verdampfen es für die Behandlung der an Syphilis Erkrankten.«
»Und vergiften damit nebenbei noch ein paar Vampire. Wie praktisch«, fuhr Franz Leopold sarkastisch fort.
»Ja, alle Fäden laufen an diesem Ort zusammen«, sprach Ivy weiter. »Wie Malcolm und ich heute erfahren haben, geht der Vampirjäger Carmelo dort jede Nacht ein und aus. Ich gehe jede Wette ein, dass wir im Spital auch Seigneur Thibaut finden - falls sie sich seiner noch nicht entledigt haben.«
»Du meinst, an ihm haben sie die Wirkung des Quecksilbers auf Vampire ausprobiert?«, fragte Alisa sehr leise.
Ivy nickte ernst. »Ja, das glaube ich.« Die beiden wandten sich zu den Pyras um, die sie noch immer vom Höhleneingang aus beobachteten.
»Sollen wir es ihnen sagen?«, fragte Alisa unsicher.
Ivy wiegte den Kopf hin und her. »Ich würde vorschlagen, wir berichten ihnen vom Quecksilber und
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