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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Schaden anrichtet wie jene, die das Schwert in die Hand nehmen. Doch zu ihm und seinen Forschungen kommen wir später. Zurück zu den Beleuchtungstürmen. In München haben die Menschen zu Anfang des Jahres eine elektrische Leuchtanlage im Zentralbahnhof
aufgestellt. Ich bin eigens dort hingefahren, um es mir anzusehen.« Er schwieg einen Moment, so als müsse er erst die Eindrücke der Erinnerung niederkämpfen, und fuhr dann mit erhobener Stimme fort.
    »Elektrisches Licht ist eine schlimmere Waffe als Knoblauch und Weihwasser. Es sticht in den Augen und lähmt unsere Gedanken. Es scheint die Menschen schneller und mutiger zu machen und uns verzagter. Ich sage euch, die Münchner Bahnhofshalle ist kein Ort mehr, zu dem ein Vampir seine Schritte lenken sollte!«
    Während sich die meisten der Erben offensichtlich fragten, ob Reint nicht übertrieb, nickten die Pyras wissend. »Es ist entsetzlich grell«, murmelte Joanne.
    »Ihr habt so etwas schon einmal gesehen?«, wollte Tammo wissen.
    Fernand nickte. »Ja, vor zwei Jahren haben sie in der Avenue de l’Opéra etwas in Betrieb genommen, das sie ›Jablotschkow-Kerzen‹ nennen. Ein elektrisches Licht, das den Platz vor der Oper von seinen hohen Masten aus beleuchten soll. Und das tut es! Das kann ich euch versichern. Da tränen einem die Augen, wenn man den Platz nur betritt. - Betreten würde, denn das wird kein vernünftiger Pyras mehr tun.«
    »Da hört ihr es«, rief Reint sichtlich erfreut. Er versuchte, noch ein wenig mehr über die Pariser Beleuchtungsanlage zu erfahren, aber die Pyras zuckten nur mit den Schultern. Für die technischen Errungenschaften der Menschheit interessierte sich in ihrem Clan keiner.
    »Und wenn schon«, wandte Mervyn ein. »Wenn wir die Orte kennen, an denen sie solche Lichttürme aufstellen, dann meiden wir sie eben. Uns bleibt noch genug schützende Nacht.«
    »In den Weiten Irlands? Mag sein«, gab Reint zu. »Die anderen Clans jedoch werden sich schneller, als ihnen lieb sein kann, mit dem grellen Licht der Menschen auseinandersetzen müssen. Es wird nicht bei den wenigen Beleuchtungstürmen bleiben. Das ist ja gerade die besondere Erfindung Edisons. Er wollte kleine, handliche Leuchtkugeln herstellen, dass sie bald jeden Haushalt erhellen! Zuerst brauchte er einen Glühfaden, der der Hitze standhielt - Kohlefäden waren die Lösung -, dann schloss er ihn in einen Glaskolben ein, der in einem metallenen Schraubfuß endet. Vor wenigen Wochen lief
das Dampfschiff Columbia aus, beleuchtet von Edisons Glühbirnen. Die Revolution der Helligkeit hat begonnen!«
    Sosehr Alisa der Vortrag über Edison und das Licht vergangene Nacht fasziniert hatte, jetzt stand ihr der Sinn nicht nach wissenschaftlichen Erläuterungen. Sie wollte nur wissen, was vor sich ging und bestürmte Hindrik, bis er nachgab.
    »Dann komm mit. Ich will es dir zeigen. Aber beeile dich, dass wir rechtzeitig zum Unterricht zurück sind.«
    »Ich will auch mit!«, rief Tammo, der wieder einmal die Pyras im Schlepptau hatte.
    »Nein! Kommt nicht infrage«, riefen Alisa und Hindrik gleichzeitig und eilten die Treppe hinunter. Unten wurden sie allerdings von Ivy und Franz Leopold eingeholt, die wie immer unter den Ersten waren, die ihre Särge verließen.
    »Dann kommt halt mit«, seufzte Hindrik und huschte die Gasse entlang, dass sie Mühe hatten, mit ihm Schritt zu halten. Er folgte dem Weg, den sie gestern Nacht zurückgelegt hatten. Als sie um die Ecke bogen, stieß Alisa einen Schrei aus. Franz Leopold kam neben ihr zum Halten.
    »Die haben es aber eilig gehabt und ganze Arbeit geleistet.« Er ließ den Blick über die eingebrochenen Wände schweifen. Schuttberge türmten sich beiderseits der Straße.
    »Auf dem Wandrahm und um das Dovenfleet sieht es nicht anders aus«, ergänzte Hindrik. »Überall brechen sie die Häuser ab.«
    Franz Leopold drehte sich einmal im Kreis. »Ein Verlust ist es nicht. Nicht dass es mich kümmert, wie die Menschen dahinvegetieren, aber das ist eine Beleidigung für das Auge.«
    Hindrik wies auf einen riesigen Schuttberg. »Es ist, als wollten sie innerhalb weniger Tage jede Erinnerung an diese Viertel tilgen.«
    »Und was haben sie vor, wenn sie die ganzen Häuser abgerissen haben?«, wollte Alisa wissen. »Neue Wohnungen bauen, damit die Leute zurückkommen können?«
    Hindrik schüttelte den Kopf. »Sie werden neue Häuser bauen. Große, prächtige Bauten aus Backstein und Stahl, doch es werden keine Wohnungen sein.«

    »Was

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