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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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für Menschen - schnell bewegten. Er vernahm ihre aufgeregten Worte. Sie trennten sich in mehrere Gruppen. Plötzlich löste sich ein Schuss. Das Echo hallte die Gänge entlang. Der Vampir entblößte die Zähne zu einem grimmigen Grinsen. Jagten sie ihn wieder einmal vergeblich? Wussten sie nicht, dass er ihnen schon längst wieder entwischt war? Die Verfolger gaben nicht auf. Der Vampir blieb an der nächsten Kreuzung stehen und lauschte. Aus zwei Gängen hallten Schritte und Stimmen, der dritte war still, obwohl er noch nach den Menschen roch, die hier vor Kurzem durchgekommen waren. Der Weg führte zu einem Ausgang nahe der Madeleine. Ohne weiter darüber nachzudenken, huschte der Vampir den Gang entlang. Er hatte den Ausgang im Gewölbekeller eines Hauses fast erreicht, als eine Ahnung ihn zurückprallen ließ. Er sah sich hektisch um, konnte aber in der Finsternis nichts erkennen. Sein Instinkt oder ein winziges Geräusch ließ ihn den Blick nach oben wenden. Als er begriff, war es bereits zu spät. Ein schweres Netz fiel auf ihn herab und trotz eines verzweifelten Sprungs zur Seite verfing er sich in den Maschen und stürzte zu Boden. Noch hatte er seine Kaltblütigkeit nicht verloren. Ein Netz konnte man zerreißen. Er würde sich daraus befreit haben, ehe die Menschen auch nur in seine Nähe kamen. Sie hatten den Falschen ergriffen, und er sah es nicht ein, ihnen Ersatz für ihre eigentliche Beute zu liefern. Er spannte die Muskeln an und versuchte, die Arme zu spreizen. Nun hätten die Stricke eigentlich
nachgeben müssen, stattdessen hatte er das Gefühl, sie würden sich nur noch enger um ihn ziehen und ihm die Brust einschnüren. Er rief nach seinen Ratten. Die Nager wuselten herbei und machten sich auch sogleich an den Stricken zu schaffen. Da hörte er Schritte, und der Geruch von einem Dutzend Menschen, die sich vorsichtig, aber unerbittlich näherten, drang ihm in die Nase. Kreischend stoben die Ratten davon. Der Vampir fluchte.

    Sie folgten den Abwasserläufen, die erst schmal und sehr alt schienen, dann jedoch in einen größeren Kanal mündeten. Dem alten Ringkanal, wie Joanne sagte. Es war zumeist völlig finster, nur selten drang ein wenig Licht durch einen mit einem Eisengitter versehenen Schacht herein, doch seltsamerweise schien dies weder Joanne noch Fernand zu stören. Die Erben hatten im vergangenen Jahr gelernt, sich in der Dunkelheit der irischen Höhlenwelt fortzubewegen - indem sie sich das Echosystem einer Fledermaus zunutzemachten. Inzwischen konnten sich alle Erben mit den Sinnen einer Fledermaus verbinden, nur dazu mussten sie erst einmal eine finden, die bereit war, ihnen zu Diensten zu sein.
    »Was soll ich nur machen? Es gibt hier keine Fledermäuse!«, rief Luciano verzweifelt, nachdem er schon zweimal in einen Kothaufen getreten war.
    »Es gibt schon welche«, widersprach Alisa. »Ich konnte ihr Bewusstsein streifen, aber sie lassen sich nicht fassen. Sie sind zu weit weg, und ich habe den Eindruck, sie wollen nicht in diese engen Kanäle hinunter.«
    »Es ist nicht leicht«, stimmte Ivy ihr zu. »Das ist schon eine ganz ordentliche Entfernung. Das erschwert die Sache, und wie du richtig bemerkt hast, widerstrebt es ihnen, ihr Jagdgebiet zu verlassen und durch diese nassen, niederen Gänge zu fliegen. Ich konnte das Bild einer Fledermaus auffangen, die durch hohe, domartige Höhlen aus weißem Gestein flog und dann über einen Hügel, auf dem sich Windmühlen drehten.«
    »Das waren die Gipssteinbrüche des Montmartre«, sagte Fernand.
»Und du hast das Echobild der Fledermäuse hier unten empfangen? Nicht schlecht!«
    »Danke. Ich versuche, einige von ihnen zu überreden, uns zu helfen, aber das ist nicht einfach.«
    »Wenn jemand dieses Kunststück fertigbringt, dann du«, sagte Luciano mit hoffnungsfroher Stimme. Bisher blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich an der Wand entlangzutasten. Ihre Finger glitten über feuchten Stein, stinkenden Schlick und andere Dinge. Auch der Grund unter ihren Füßen änderte sich ständig. Mal tappten sie durch knöcheltiefes Wasser, mal über nur feuchten, bröckeligen Stein, dann wieder durch Morast.
    »Hindrik, musste das wirklich sein?«, stöhnte Alisa. »Hätten wir nicht wie zu Hause einfach in kleinen Gruppen durch die Straßen laufen können?«
    »Eure Sicherheit ist das Wichtigste«, brummte der Servient missmutig. Offensichtlich gefiel es ihm hier genauso wenig wie den Erben.
    Plötzlich hielt Alisa inne. »War das eine

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