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Die Erben der Nacht - Pyras

Die Erben der Nacht - Pyras

Titel: Die Erben der Nacht - Pyras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nervös ihr Kleid glatt. »Ich gehe jetzt lieber hinauf ins Zimmer, damit Carmelo uns nicht zusammen sieht. Das würde sicher lästige Fragen nach sich ziehen.« Da konnte Bram ihr nur zustimmen. Er erhob sich gleichfalls, verbeugte sich und begleitete sie noch bis zum Fahrstuhl, wo er sie der Obhut des Boys in seiner prächtigen roten Uniform überließ.
    Drei Stunden später verließen sie kurz nach ihrem Onkel zusammen das Hotel.
    »Schnell, er geht dort den Boulevard hinunter«, sagte Latona aufgeregt und zog an Brams Arm.
    »Nur mit der Ruhe. Wir sollten nicht zu nahe heran, um seine Aufmerksamkeit nicht zu erregen.«
    »Wir dürfen ihn aber auf keinen Fall wieder verlieren! Das war vergangene Nacht Ihre Schuld!«
    »Mein Vergehen ist mir bewusst«, antwortete Bram mit gespielter Reue, ohne sein Lächeln verbergen zu können.
    »Das sollte es auch!«, meinte Latona streng und stöhnte dann auf. »Oh nein, er winkt eine Droschke herbei.«
    »Dann werden wir in dieser Nacht nichts erreichen.«
    Ein störrischer Zug trat in Latonas Gesicht. »Nein, ich lasse ihn nicht entwischen. Dann folgen wir ihm eben in einem Wagen.«
    »Wie Sie gestern richtig bemerkten, gehört es sich für eine junge
Dame nicht, mit fremden Herren eine Droschke zu teilen«, rief Bram ihr ins Gedächtnis, doch Latona wehrte ab.
    »Sie sind ja nun kein Fremder mehr. Wir haben im Hotel zusammen Tee getrunken und Schokoladeneclairs gegessen.«
    Ob ihn das überzeugte, wusste Latona nicht, doch da sie gebieterisch die Hand hob, als eine freie Droschke vorbeirollte, ergab sich Bram in sein Schicksal, bot ihr den Arm und half ihr in die Kutsche.
    »Folgen Sie dieser Droschke dort vorn, schnell«, rief Latona dem Kutscher zu. Der wartete erst ein zustimmendes Nicken ihres Begleiters ab, ehe er die Peitsche schwang. Latona bemerkte es wohl und hatte nun genug Zeit, sich wieder einmal über die ungerechte Welt zu ärgern.
    Die Fahrt schien wieder zum Botanischen Garten zu gehen, zumindest war Latona davon überzeugt, bis sie den Boulevard Saint Michel erreichten. Zu ihrer Überraschung bog der Wagen vor ihnen nach rechts ab und folgte der Ausfallstraße nach Süden, die noch im vorigen Jahrhundert Rue d’Enfer - Höllenstraße - geheißen hatte. Vielleicht in Erinnerung an den in Sünde lebenden Diable Vauvert, wie sie König Robert II. nannten, der vor den Mauern der mittelalterlichen Stadt sein prächtiges Liebesnest für sich und seine Gattin hatte errichten lassen. Der Papst erhob Einspruch gegen die Ehe mit seiner Cousine und ließ den König, als der nicht von ihr lassen wollte, exkommunizieren. Nun musste der König klein beigeben, der inzestuösen Beziehung abschwören und eine andere Gattin wählen. Er verließ das Schloss, das nach und nach verfiel. Später ließen sich Wegelagerer und anderes Gesindel in den Ruinen nieder. Nachts sah man von dort im Schein lodernder Flammen Schwefeldämpfe aufsteigen. Mitte des 13. Jahrhunderts gebot der König dem teuflischen Treiben ein Ende und übertrug die Ländereien den Kartäusermönchen, die in den verlassenen Steinbrüchen unter dem Kloster ihre Liköre brauten und lagerten.
    Mit Geschichten solcher Art unterhielt Bram seine junge Begleiterin, die dennoch vor Nervosität nicht still sitzen konnte. Endlich bog der Wagen vor ihnen nach links ab, folgte noch zwei kleineren Gassen und hielt dann vor einem großen Tor, von dem aus nach
beiden Seiten eine geschlossene Häuserreihe das Gelände wie eine Mauer umschloss. Die Droschke hielt. Sie sah ihren Onkel dem Kutscher einige Münzen in die Hand drücken, dann stieg er aus und trat auf das Tor zu. Anscheinend wurde er trotz der nächtlichen Stunde erwartet, denn der Pförtner ließ ihn ohne langes Reden eintreten. Das Tor schloss sich wieder hinter ihm.
    »Wo sind wir?«, fragte Latona ihren Kutscher.
    »Das ist das Hôpital Cochin.«
    »Ein Krankenhaus?«
    »Ja, Mademoiselle, ein Krankenhaus.« Er schien noch mehr sagen zu wollen, doch dann brach er ab und blickte verlegen zur Seite. Verwirrt runzelte Latona die Stirn und sah zu Bram Stoker hinüber, der sich offensichtlich auch keinen Reim darauf machen konnte.
    »Was für eine Art Spital ist das hier?«
    Wieder dieser Gesichtsausdruck und ein rascher Seitenblick auf Latona. Plötzlich huschte Verstehen über Brams Miene.
    »Werden hier Patienten behandelt, die - wie die Ärzte es nennen - an ›venerischen Krankheiten‹ leiden?« Mit diesem Ausdruck konnte der Kutscher nichts anfangen.
    »Die

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