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Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad

Titel: Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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minutenlang auf das Bild in seinen Händen herab. Es war eigentlich nur eine Skizze, dem ein Gemälde als Vorlage gedient haben musste, zumindest ließ der angedeutete Rahmen um das Porträt dies vermuten. Er sah in die Augen, die ihm entgegenstarrten.
    Obgleich Ivy– falls sie dies wirklich selbst gezeichnet hatte– keineswegs als herausragende Künstlerin gelten konnte, war es ihr gelungen, den Charakter des Bildes einzufangen und die Züge so darzustellen, dass es van Helsing nicht schwerfiel, zu erkennen, wen das Bild darstellte. Für einen Augenblick hatte er gar geglaubt, er selbst sehe sich entgegen, doch dann war ihm der Irrtum aufgegangen. Nein, allein die Frisur und das wenige, was man von der Kleidung erkennen konnte, deuteten auf ein vergangenes Jahrhundert. Wenn dieses Gemälde in London hing und ihm dermaßen ähnelte, konnte es sich nur um seinen Urgroßvater Georg von Helsing handeln, mit dessen Ruhmestaten ihn seine Großmutter als Knaben fasziniert und ab und zu auch geängstigt hatte. Ja, vielleicht waren es diese Geschichten gewesen, die ihn dazu bewogen hatten, seinen Weg einzuschlagen und in die Fußstapfen des großen Vampirjägers zu treten, der so jung sein Leben lassen musste.
    Leider weilte seine Großmutter nicht mehr unter den Lebenden, als er die Geschichten kritisch zu analysieren begann, die Widersprüche gerne aufgeklärt und die Lücken in den Erzählungen gefüllt hätte. Es war ihm trotz großer Mühe bisher nicht gelungen, auf alle Fragen eine Antwort zu finden. So hatte er die offenen Rätsel um seinen Urgroßvater vergessen, oder zumindest immer seltener daran gedacht, bis ihm nun dieser Brief ins Haus flatterte, von dem ihm sein Ahn nachdenklich entgegenstarrte. Ansonsten stand nicht viel in dem Schreiben.
    » Wollen Sie beenden, was ihm versagt blieb?«, fragte Ivy provokant. » Dann üben Sie sich in Geduld. Tun Sie nichts Unüberlegtes und kommen Sie jetzt noch nicht nach London! Ich weiß, dass die Unruhe stärker wird und Ihre Neugier Sie treibt. Dennoch bitte ich Sie, rühren Sie sich nicht vom Fleck, bis ich Sie rufe.«
    Von widersprüchlichen Gefühlen hin und her gerissen, sah van Helsing auf das Blatt in seinen Händen. Nichts fiel ihm schwerer, als untätig zu sein. Es drängte ihn, aufzuspringen und sofort seine Reiseutensilien zusammenzuraffen, doch er blieb sitzen und zwang sich, das Schlimmste zu tun, das es gab: nichts. Einfach nur abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten.

Scotland Yard
    Ruhelos strich Razvan an der Mauer entlang und hielt Ausschau nach dem Meister, der am frühen Abend zur Jagd aufgebrochen und seither noch nicht zurückgekommen war.
    Wo blieb er nur? Er hatte angedeutet, dass es nun endlich losgehen würde. Razvan hatte alles in die Wege geleitet, was Dracula ihm aufgetragen hatte, und eigenhändig Schaufel für Schaufel verfluchter Karpatenerde in die Särge gefüllt, bis sie sauber in Reih und Glied in der entheiligten Felsenkapelle bereitstanden. Bereit wofür? Das war die große Frage, die ihn umtrieb und die der Meister ihm noch immer nicht beantwortet hatte.
    Nur eines hatte sich seit jener Nacht getan, in der er seinem Diener den Befehl erteilt hatte. Der Meister hatte sich verändert! Er strahlte einen Tatendrang aus, den der Bucklige zum letzten Mal vor seiner Abreise nach Wien an ihm bemerkt hatte. Dracula verschwand wieder häufiger von der Burg und kehrte erst bei Sonnenaufgang zurück. Eine Atmosphäre der Geschäftigkeit zog durch das alte Gemäuer. Es tat sich etwas. Irgendwelche Vorbereitungen waren im Gange, und es raubte Razvan jede Ruhe, dass er nicht einmal erahnte, was das sein könnte.
    Der Hauch eines Flügelschlags ließ ihn herumfahren. Er erhaschte noch einen Blick auf die Fledermaus, die auf der Plattform des runden Turmes landete, dann trat der Meister schon aus dem Nebel. Razvan verbeugte sich ehrerbietig.
    » Ich hoffe, Ihr hattet eine ergötzliche Nacht und eine reizvolle Jagd, Meister.«
    Er winkte ab. » Nur ein paar Schlückchen Blut im Vorbeigehen. Doch falls du mich fragst, ob es eine erfolgreiche Nacht war, so kann ich das mit Fug und Recht behaupten.« Er sah seinen Diener mit triumphierendem Strahlen an.
    » Das freut mich«, sagte der Bucklige mit einer erneuten Verbeugung und musste sich auf die Zunge beißen, um seinen Herrn nicht zu drängen, ihm endlich mehr zu verraten. Dracula beobachtete ihn, und ein höhnisches Grinsen huschte über sein Gesicht.
    » Ich sehe, du platzt beinahe vor Neugier,

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