Die Erben der Schöpfung
während sich Carlos aufmachte, um Feuerholz zu sammeln. Schon bald knisterten die Flammen unter Carlos’ provisorischem Campingherd. Susan und Ayala entfernten sich ein paar Schritte und unterhielten sich.
Susan hatte sich im Lauf des Tages ausgiebiger mit Ayala unterhalten und einiges über ihre Vergangenheit erfahren. Es erstaunte sie, dass ihre Führerin nicht viel älter war als sie, jedoch ein völlig anderes, wesentlich intensiveres Leben geführt hatte. Vor allem war Susan von Ayalas Unabhängigkeit fasziniert. Wie es wohl wäre, ein autonomes Leben zu führen, Risiken und Gefahren zu trotzen, die realer waren als die scharfe Zunge einer Chefredakteurin, auf die Bequemlichkeiten der zivilisierten Gesellschaft zu verzichten und sich eine neue Welt zu unterwerfen?
Susan setzte sich neben Ayala auf einen Baumstumpf. »Wollen Sie für immer hierbleiben?«
Ayala schüttelte den Kopf. »Ich habe hier Zuflucht gefunden. Die Albträume und Flashbacks bin ich zwar immer noch nicht losgeworden, aber ich habe meine Dämonen zum größten Teil bezwungen. Eines Tages, vielleicht schon bald, will ich es wieder versuchen. Aber ich weiß noch nicht, wohin ich gehen und was ich machen will.«
Susan legte den Kopf schief. »Ich wette, Sie könnten so ziemlich alles tun. Wollen Sie zurück nach Israel?«
»Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin. Und was ist mit Ihnen? Hat diese Geschichte Ihre Prioritäten verschoben?«
»Keine Ahnung. Ich hoffe, dass ich mit dieser Story meinen Durchbruch schaffe, aber ich bin eben aus dem Mittleren Westen und hänge an meiner Sicherheit. Außerdem glaube ich nicht, dass mein Mann besonders begeistert davon wäre, wenn ich mich jetzt auf hochriskanten Enthüllungsjournalismus verlege. Ich weiß nicht, wo das alles hinführt.«
»Haben Sie schon mal an Kinder gedacht?« Ayala war anzuhören, dass sie das interessierte, und Susan fragte sich, ob Ayala selbst schon öfter mit dem Gedanken gespielt hatte.
»Ich hab’s mal versucht. Irgendwann vielleicht.« Susan wollte Ayala gerade berichten, inwiefern ihre Begegnung mit den Fünflingen in der Vorwoche sie für geraume Zeit von jeglichem Kinderwunsch kuriert hatte, als die Stille der Nacht von einer Explosion erschüttert wurde. Verwirrt sah sich Susan um und suchte nach einer Erklärung.
Ayala war bereits auf den Beinen. »Ducken!«, rief sie Susan zu, während sie selbst nach ihrem Rucksack griff und ihre Pistole herauszog.
Susan und Ayala sahen gleichzeitig zum Lagerplatz hinüber, wo Carlos soeben in die Dunkelheit davonspurtete. Ein weiterer Schuss peitschte durch die Bäume, ehe wieder Stille eintrat. Ayala huschte durchs Gehölz und schlich sich von hinten an Carlos an. Zwischen dichten Farnbüschen, hinter einem dicken Baum, stießen sie aufeinander.
»Schüsse?«, sagte sie zu Carlos.
Er nickte. Beide waren mit dem Geräusch nur allzu vertraut.
»Wir müssen unsere Rucksäcke holen«, sagte Ayala.
»Ich nehme den von Susan«, bot er an.
Carlos hielt erst einen, dann zwei, dann drei Finger in die Höhe, worauf die beiden hinter dem Baum hervorstürmten und in wildem Galopp auf das Lagerfeuer zurannten. Ayala schnappte sich ihren Rucksack, während Carlos neben seinem eigenen auch Susans Rucksack wegschleppte, ehe die beiden schnellstens wieder von der kleinen Lichtung verschwanden. Noch während sie rannten, zerriss ein weiterer Schuss die Stille, der ins Lagerfeuer traf und verkohltes Holz auf der Lichtung verstreute.
Wie versteinert vor Angst sah Susan die beiden ungeschützt über die Lichtung laufen, als das Geräusch erneut kam. Wer war der Schütze? Susan hatte noch nie Schüsse gehört und verkroch sich panisch hinter ihrem Baumstumpf. Kurz darauf zuckte sie zusammen, als etwas von hinten sie berührte. Es war Carlos.
»Hier ist Ihr Rucksack«, sagte er und reichte ihn ihr. Mit einem Gewehr in der Hand zeigte er in eine dem Feuer abgewandte Richtung, und sie entfernten sich leise von dem Baumstumpf. Kurz darauf stießen sie zu Ayala, die ihre Pistole im Anschlag hielt und angespannt ins Dunkel blickte.
Zwischen den Brettwurzeln eines großen Baums gingen sie in Deckung.
»Wer schießt da?«, fragte Susan flüsternd.
Ayala zuckte die Achseln. »Das müssen diese Wissenschaftler sein«, erwiderte sie leise. »Mit denen ist nicht zu spaßen. Aber ich kann nicht sagen, aus welcher Richtung die Schüsse kommen. Zu viele Echos.«
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Susan ängstlich.
»Uns nicht treffen
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