Die Erben der Schwarzen Flagge
Grund, ausgerechnet jetzt damit aufzuhören, einverstanden?«
»Einverstanden«, bestätigte Nick und musste grinsen. »Und jetzt sieh zu, dass du deinen schwarzen Hintern in das Netz schwingst.«
»Aye, Sir!«
Jim gesellte sich zu Unquatl, wobei er auf der gegenüberliegenden Seite des Netzes Platz nahm, um den Flugkörper im Gleichgewicht zu halten. Der Chinese war der Nächste, der in das Netz stieg. Bei sich trug er einen mit einer Mischung aus Petroleum, Teeröl und Schwefel gefüllten Behälter, um bei Bedarf das Bugfeuer nachzufüllen.
Schließlich war die Reihe an Pater O’Rorke. Beherzt wollte auch der Ordensmann das Netz erklimmen, aber Nick hielt ihn zurück.
»Seid Ihr sicher, dass Ihr das tun wollt, Pater? Wenn wir Bricassarts Leuten in die Hände fallen, werden sie nicht danach fragen, ob Ihr ein Ordensmann seid oder nicht.«
»Das ist mir klar, mein Junge. Dennoch muss ich euch begleiten.«
»Warum?«
Der Ausdruck in O’Rorkes Gesicht war rätselhaft. »Der Wahrheit wegen«, erwiderte er nur.
Zu gern hätte Nick gefragt, von welcher Wahrheit der Pater sprach und warum er sich in geheimnisvollen Andeutungen erging, aber es fehlte die Zeit dafür. Sie mussten aufbrechen, wenn sie Bricassart im Schlaf überraschen wollten.
Nick winkte zur Prosecutor hinüber und bedeutete dem Maat, die Zugleine zu straffen. Dann zog er sein Entermesser und gingdaran, die Haltetaue zu durchtrennen. Ein Ruck ging durch den Flugkörper, als die Leinen gelöst wurden. Seil um Seil wurde gekappt, und Nick merkte, wie immer größere Kräfte an den verbliebenen Tauen zerrten.
Schließlich war nur noch ein Seil übrig. Der Fliegende Drachen bäumte sich auf wie ein gefangenes Tier, das sich losreißen wollte. Von der Prosecutor drang besorgtes Gemurmel herüber, aber Nick ließ sich nicht beirren. Zum einen vertraute er auf das Wissen des Chinesen, zum anderen war ihm klar, dass sie keine andere Wahl hatten, wenn sie Bricassart überlisten wollten. Bei Nacht und Nebel hatte der Pirat Tortuga überfallen und Nick und seine Kameraden völlig unvorbereitet getroffen – jetzt wollten sie den Spieß umdrehen.
Nick umfasste das verbliebene Tau mit der linken Hand, mit der rechten durchhieb er den Knoten – und wurde prompt nach oben gerissen. Er verlor den Boden unter den Füßen, als der Fliegende Drachen seinem Namen Ehre machte und in die Lüfte stieg. Am Seil baumelnd, konnte Nick sehen, wie der Strand, das Meer und die Prosecutor unter ihm zurückfielen.
»Es funktioniert«, jubelte Nobody Jim und ballte die Fäuste, während Pater O’Rorke sich bekreuzigte. Der Chinese begnügte sich damit, weise zu lächeln.
Während der Flugkörper weiter an Höhe gewann, hangelte sich Nick am Seil empor. Unquatls helfende Hände streckten sich ihm entgegen und hievten ihn auf das Netz. Nun erst, als er sicheren Halt unter sich wusste und hinunterblickte auf die mattschwarze Fläche der See, wurde ihm bewusst, dass sie tatsächlich flogen.
Wie oft hatte Nick sich gewünscht, ein Vogel zu sein und Flügel zu besitzen – in seinen kühnsten Träumen. Nun waren diese Träume wahr geworden. Nick war seinem Stern nicht nur gefolgt,wie der alte Angus ihm aufgetragen hatte, er stand kurz davor, danach zu greifen.
Trotz des Kampfes, der ihnen bevorstand, trotz des Hasses auf Bricassart und der Sorge um Elena, fühlte Nick unsagbare Euphorie. Wie Vögel schwebten sie, hatten den Staub der Erde von ihren Füßen geschüttelt, und das verdankten sie nur dem Genie des Mannes, der stumm unter dem offenen Maul des Drachen saß und glückselig lächelte.
»Danke, mein chinesischer Freund«, sagte Nick.
Das Zugseil, das sie mit der Prosecutor verband, straffte sich. Der Drache hing wie ein Fisch an der Angel, während unten auf Deck der Anker gelichtet wurde und das Schiff wieder in See stach. Die Besatzung des Kriegsschiffs arbeitete wie immer mit äußerster Präzision, sodass der Segler sogleich Fahrt aufnahm. Eskortiert von der Harness, verließ die Prosecutor ihr Versteck und steuerte die Küste Jamaicas an, die in der Dunkelheit mehr zu erahnen als wirklich auszumachen war. Fasziniert blickten die Seeleute hinauf zum Himmel, rieben sich in ungläubigem Staunen die Augen. Als geheimnisvolle Silhouette sahen sie den Fliegenden Drachen die bleiche Scheibe des Mondes passieren. Dann verschluckten die tief hängenden Wolken den Flugkörper.
Vincent Scarborough und sein Erster Offizier, Lieutenant James Benson, standen achtern und
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