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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wie ein Vogel und die Welt für ihn nicht groß genug sein könne. Ein Irrtum, wie sich herausgestellt hatte …
    »Das ist wunderschön«, stellte Elena fest und trat an den Rand der natürlichen Plattform. Mehrmals atmete sie tief ein und aus, um den modrigen Geruch aus ihrer Nase zu vertreiben und ihren pochenden Pulsschlag wieder zu beruhigen. »Wer würde etwas so Schönes hinter einer so verdorbenen Fassade vermuten?«
    »Und wer etwas so Verdorbenes hinter einer so schönen Fassade«, konterte Nick.
    »Wovon sprecht Ihr? Etwa von mir?«
    »Von Euch und Euresgleichen. Von den Schönen und Mächtigen, die sich einen Dreck darum scheren, wie es jenen ergeht, die über weniger Macht und Mittel verfügen.«
    »Ihr sprecht von diesen Menschen in der Hütte?«
    »Allerdings.«
    »Ihr kennt sie?«
    »Keineswegs.«
    »Warum habt Ihr dann ihr Haus betreten? Und warum habt Ihr ihnen Geld gegeben?«
    »Weil ich mit ihnen fühle – aber das ist wohl etwas, das Euch und Euresgleichen fremd ist.«
    »Wie könnt Ihr so etwas sagen?« Elenas vom anstrengenden Aufstieg ohnehin gerötete Wangen färbten sich noch dunkler. »Glaubt Ihr, ich fühlte nicht mit den Bedürftigen? Glaubt Ihr, in unseren Kirchen würde keine Güte gelehrt?«
    »Wenn es so ist, dann haben diese Menschen nichts davon zu spüren bekommen. Sie wurden verfolgt und ausgebeutet, verstümmelt und geblendet. Und es sind Männer wie Euer Vater, die daran Schuld tragen.«
    »Das ist nicht wahr! Mein Vater ist ein Ehrenmann!«
    »O ja«, sagte Nick mit vor Bitterkeit triefender Stimme, »so ehrenhaft, dass er ruchlos über Leichen geht. Um die Ausbeute seiner Silberminen zu erhöhen, nimmt er hohe Verluste unter den Sklaven in Kauf. Er hat zugelassen, dass wir von den Aufsehern bis aufs Blut gequält wurden. Und er hat den Mann getötet, den ich geliebt habe wie einen Vater.«
    »Das tut mir Leid, Nick«, sagte Elena, und in ihren Zügen stand echtes Mitgefühl zu lesen. »Aber ich darf Euch versichern,dass Ihr Euch irrt. Mein Vater ist nicht, wie Ihr denkt. Er verwaltet Maracaibo mit Weisheit und Gerechtigkeit. Bisweilen mag er zur Härte neigen, aber er hat stets ein offenes Ohr für die Nöte der Bedürftigen.«
    »Was Ihr nicht sagt.«
    »Hätte er sonst wohl eingewilligt, als ich ihn um zusätzliche Rationen für die Sklaven bat?«
    »Um zusätzliche Rationen?«
    Elena nickte. »An jenem Tag, als wir uns zum ersten Mal begegneten, fiel mir auf, dass viele Sklaven in einem schlechten körperlichen Zustand waren. Ich bat meinen Vater deshalb, etwas dagegen zu unternehmen und die Nahrungsrationen zu erhöhen.«
    »Ich verstehe«, knurrte Nick. »Um ihre Arbeitskraft zu erhalten, nicht wahr?«
    »Zürnt mir nicht deswegen. Ich habe es nicht nur deshalb getan, sondern auch, weil der Anblick Eures Elends mein Mitgefühl weckte. Auch wenn Ihr meinen Worten sonst kein Vertrauen schenkt, dies eine müsst Ihr mir glauben.«
    Nick schaute sie prüfend an, und tatsächlich konnte er weder Arglist noch Täuschung in ihren dunklen Augen erkennen. »Ich glaube Euch«, versicherte er, »aber es spielt keine Rolle mehr. Denn ich erkenne jetzt, dass Euer Vater nicht nur uns, sondern auch Euch hintergangen hat.«
    »Inwiefern?«
    »Indem er Euch belogen hat. Die Essensrationen im Lager sind zu keinem Zeitpunkt erhöht worden.«
    »Das ist nicht wahr, Ihr lügt!«
    »Seht Euch die Männer an, die wir aus Maracaibo befreit haben. Machen sie etwa den Eindruck, wohl genährt zu sein? Einige von ihnen sind auf der Flucht durch die Sümpfezusammengebrochen und mussten getragen werden, andere leiden an Skorbut und werden die nächsten Wochen nicht überleben.«
    »Aber …«
    »Ich glaube Euch, dass Ihr in guter Absicht gehandelt habt, Doña Elena. Aber vielleicht solltet Ihr das Bild, das Ihr von Eurem Vater habt, gründlich überdenken. Er ist nicht jener gütige Mann, den Ihr in ihm sehen wollt.«
    »Aber er ist ein Conde und vertritt die spanische Krone«, wandte Elena hilflos ein.
    »Und dadurch wähnt Ihr ihn im Recht?«, fragte Nick. »Ihr macht es Euch zu einfach, Mylady. Wenn die Mächtigen immer weise, gerecht und gütig wären, brauchte es Orte wie diesen nicht zu geben. Aber die Wahrheit ist, dass die Mächtigen der Versuchung ausgesetzt sind, ihre Stärke zu missbrauchen, und dass sie dieser Versuchung oft genug erliegen. Was Euren Vater betrifft, so hat er seine Macht dazu benutzt, Unschuldige auszubeuten und zu quälen – und dafür wird er bezahlen.«
    Elena stand

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