Die Erben des Terrors (German Edition)
dauern, sie zu entschlüsseln, oder er hatte wirklich etwas Wichtiges herausgefunden. Da Dreyer die letzte Alternative spannender fand, wollte er sich gleich an die Arbeit machen, aber unter Deck wartete schon eine nackte Elena auf ihn und zudem wollte seine Schwägerin noch einen Geburtstagsgruß… Er tippte eine kurze, aber nette eMail an seine Schwägerin und ging dann unter Deck.
Je suis désolé
03. August 2013
0° 59’ 36.72” Süd, 79° 38’ 19.58” West
Río Esmeraldas, 500 Meter nordöstlich von Esmeraldas, Ecuador
Auf der Backbordseite stach Dzerzhinsky das blaugrüne Verwaltungsgebäude des kleinen Flughafens von Esmeraldas unangenehm ins Auge, sodass er fast eine Sandbank im Flussdelta des Río Esmeraldas übersehen hätte, der die Wassermassen der tropischen Regenwälder hier in den Pazifik spülte. Er drehte nach Steuerbord bei und nahm direkten Kurs auf die Hafeneinfahrt, zwischen grünen und roten Tonnen hindurch.
Auf dem westlichen Molenkopf, neben einem kleinen Leuchtturm, standen zwanzig oder dreißig Menschen . Ganz vorne eine alte Frau mit einem weißen Taschentuch, hinter ihr zwei Männer Mitte Vierzig, um sie herum wohl der Rest einer großen Familie, alle in den Hafen Blickend. Dzerzhinsky drehte sich ebenfalls wieder zur Hafeneinfahrt, aus der eine große, frisch dunkelblau gestrichene Segelyacht kam. Nach einer Weile konnte er auf dem Achterdeck einen älteren Herrn erkennen, der zu den vielen Menschen auf dem Kai blickte, ab und zu winkte, während er routiniert sein Boot seeklar machte.
Als die beiden Boote sich passierten, nickte der Skipper ihm freundlich zu, wandte sich aber schnell wieder den Menschen auf dem Molenkopf, wohl Ve rwandten, zu und winkte. Dzerzhinsky drehte sich um, um den Namen des Bootes zu lesen – der Heckspiegel verriet Diana . Registriert in Esmeraldas – also hier. Dzerzhinsky wunderte sich, ob jedes einzelne Mal, wenn der alte Mann ein paar Tage auf See verbrachte, die ganze Familie zum Abschied da war. Aber vielleicht war es die erste Fahrt nach einer langen Renovierung.
Es war ein wunderschönes Boot, es hatte offenbar gerade erst einen Refit hinter sich, strahlen d weiße Segel, blitzendes Chrom an der Reling, die große, gelb-blau-rote ecuadorianische Flagge weit hinter dem Skipper wehend. Während Dzerzhinsky dem schönen, blauen Boot hinterher sah, drehte sich auch dessen Skipper noch einmal um, bevor ihn die ersten Wellen des Pazifiks erreichten. Nach einem kurzen Moment erhob er nochmals seine Hand zum Gruß, griff an sein weißes Basecap – hätte Dzerzhinsky es nicht besser gewusst, es sah fast aus wie ein militärisches Salut. Gleichwohl erwiderte er den neuerlichen Gruß in ähnlicher Form und musste an seine Mission denken, die Mission, die er seit neunundvierzig Jahren…
„Können wir hier ein paar Tage länger bleiben?“, fragte Célestine, vor ihm auf der steuerbordseitigen Sitzbank liegend.
Dzerzhinsky dachte kurz nach. Natürlich hatten sie durch den Sturm viel Zeit verloren, und um Célestine bei Laune zu halten waren einige Zwischenstopps notwendig gewesen, aber selbst, wenn sie weiterhin so trödeln würden, hatten sie immer noch zwei Monate Zeit, bis er in Skovorodino sein musste, in San Francisco in Kalifornien, United States of Amerika. Das lag dreitausend Seemeilen nördlich von ihnen, bei gutem Wind in zwei Wochen machbar… und so müsste er sich keine Erklärung ausdenken, wieso sie nicht an der Küste blieben, sondern direkt nach Nicaragua fahren würden… Panama war den USA deutlich zu nahe, als dass er dort hinwollte, Costa Rica auch, aber aus Nicaragua, so wusste er, hatten sich die Amerikaner seit der Revolution in den späten achtziger Jahren weitgehend herausgehalten.
Danach nicht nach El Salvador, ebenfalls politisch zu nah an den USA, aber ab da ging es über das eher unproblematische Guatemala und Mexiko, das immer noch so korrupt war wie die Sowjetunion in den sechziger Jahren – naja, wie Russland heute – direkt nach San Francisco.
„Bittebitte“, fragte Célestine, ihre Augen weit aufgerissen, mit einem eigentlich unwiderstehlichen Blick.
„Nein. Sonst kommen wir nie nach Amerika“, erwiderte Dzerzhinsky, um etwas Verhandlungsspielraum zu gewinnen. Auch wenn es hier fast so warm war wie in Französisch-Polynesien, so war es nicht annähernd so schön. Nicht einmal der Alkohol war besser. Aber wenn man sich an den anfangs seltsamen Geschmack von Aguardiente gewöhnt hatte – und an einen
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