Die Erben des Terrors (German Edition)
Kartenwert in eine Zahl, vierundzwanzig, zählte diese Karten ab und sah sich die fünfundzwanzigste an. Karo Neun, das ist die neunte Karte in Rot. Diese stellte seinen ersten Schlüsselcode dar, rote Karten für eins bis dreizehn, schwarze für vierzehn bis sechsundzwanzig. Neun also. Er schrieb die Ziffer 9 auf sein Blatt und fing wieder von vorne an.
Nach einer halben Stunde hatte er fünfzehn Zahlen auf seinem Blatt stehen, genug, um mit der Entschlüsselung zumindest ansatzweise zu beginnen. Er sah sich den Text, den ihm Weisstdu Schon geschickt hatte, an.
MDOLR TOFKN KELQO
Im Kopf rechnete er um: M ist der dreizehnte Buchstabe im Alphabet, minus die neun, die er auf seinem Blatt stehen hatte, ergab vier. Der vierte Buchstabe ist das D, also schrieb er unten auf das Blatt D . Zehn Minuten später sah er sein Entschlüsselungsergebnis an:
DAND A SMSSH ATEIN
Er musste kurz nachdenken, ob das nun Sinn machte. Dann kam es ihm: „Dan, das MSS hat ein“ – ein was denn, fragte er sich sofort, und was hatte Jin mit dem MSS, dem chinesischen Geheimdienst Schrägstrich totalitärer Geheimpolizei zu tun? Er ging kurz nach unten, holte sich eine kalte Flasche Wasser aus der Kühlbox, eine neue Flasche Rum aus der Bilge und ein Glas aus dem Schapp, bevor er sich dann oben wieder in das fahle rote Licht der Notbeleuchtung an Deck setzte.
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Als die Sonne über den Horizont stieg, hatte Dreyer die einhundertfünfundachtzig Zahlen, die er für die Entschlüsselung der einhundertfünfundachtzig Zeichen langen Nachricht brauchen würde, aus dem Kartenspiel herausanalysiert. Fünf Stunden, sagte ihm seine mittlerweile ohne das Fluoreszieren der Zeiger ablesbare Omega Seamaster, hatte das gedauert. Wehe, wenn das ein Scherz war, beschloss er, und machte sich an die Dekodierung.
Gegen halb acht hörte er, während er die letzten beiden Buchstaben entschlü sselte, wie Elena unter ihm aufstand. Kurz darauf, er notierte den letzten Buchstaben E auf sein Blatt, stand sie an der Niedergangstreppe und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Wieso bist du nicht da? Mir war kalt!“, sagte sie.
„Sorry“, antwortete Dreyer, etwas abwesend ob dessen, was in der Nachricht stand. Elena kam langsam nach oben, sich die Augen wegen der jetzt schon grellen Sonne sofort bedeckend. Sie nahm ihre Sonnenbrille von der backbordseitigen Liegefläche und setzte sie auf. Immer noch verschlafen blinzelnd bemerkte sie die halbleere Flasche Rum. „Hast du die ganze Nacht nur hier oben gesoffen?“, fragte sie, noch vorwurfsvoller.
Dreyer sah kurz den Rum an und wieder fiel ihm ein, dass die anderthalb Liter Wasser seit über einer Stunde alle waren und er eigentlich ein neues holen wollte, während er, was auch dringlicher wurde, sich des alten entledigte, aber er hatte so fasziniert auf jeden neuen Buchstaben gewartet, dass er auch das völlig vergessen hatte. „Nein. Ja. Sorry. Ich muss mal. Aber lies selbst.“, sagte er, drückte ihr den Zettel in die Hand und ging unter Deck.
Als er wieder nach oben kam, starrte Elena immer noch auf den Zettel mit Buc hstabengruppen oben, Zahlen in der Mitte und neuen Buchstabengruppen unten. Sie sah ihn verständnislos an: „Also, irgendwer schickt dir eine eMail mit unverständlichem Kauderwelsch, und du verbringst die Nacht mit einem Kartenspiel und einer Flasche Rum, alleine wohlgemerkt, um daraus noch unverständlicheres Kauderwelsch zu machen?“ Sie hielt ihm den Zettel hin, auf dem so deutlich, wie Dreyer schreiben konnte, unten stand:
DAND A SMSSH ATEIN EKILL ORDER AUFDI CHSTO PDIEO TPENT SCHLU ESSEL NEINS ATZBE FEHLE FUERE INENA NGRIF FAUFN EWYOR KSTOP RUSSE NINVO LVIER TSTOP CIAWE ISSBE SCHEI DSTOP MSSWI LLAUC HMICH TOETE NSTOP WTFIS TLOSS TOPJI NENDE
Er blickte sie genauso verständnislos an, wie sie es mit ihm tat. Nach einer kurzen Weile des Schweigens sprach sie weiter: „Hey, ich mag dich ja wirklich, aber wenn du so ein Psychopath bist wie Russel Crowe in dem Film A Beautiful Mind …“
„John Nash?“, suggerierte Dreyer.
„Wer auch immer. So ein Psychopath, der hinter allem Russen vermutet und dann Codes entschlüsselt und seine Familie umbringt…“
„Der Film war da nicht besonders akkurat.“
„Das war nicht die Antwort, die ich hören wollte.“
„Wenn ich dir aber jetzt was von Russen erzähle, hältst du mich doch eh nur für paranoid-schizophren, oder?“
„Du willst mir doch jetzt bitte nichts von Russen erzählen.“ Elena musste fast loslachen, bis ihr wieder
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