Die Erben des Terrors (German Edition)
warum war er dann so fassungslos über das, was sein chinesischer Freund ihm geschrieben hatte? Und wer war eigentlich der chinesische Freund, und was hatte der mit dem MSS zu schaffen?
„Elena?“, riss sie Dreyer aus ihren Gedanken.
Sie schreckte hoch und sah ihn an. Ihre Verwirrung, ja ihre Verzweiflung war ihren Augen wahrscheinlich anzusehen. Ist das die Situation, vor der sie Michael West gewarnt hatte, der Mann, der sie zur CIA brachte? War das der Moment, wo man sich zwischen seinem Patriotismus und seinen Gefühlen entscheiden müsse?
„Elena?“, fragte Dreyer nochmals.
„Ist das ein schlechter Scherz?“, fragte sie unbeholfen.
Dreyer sah Elenas Verwirrung, oder war es Verzweiflung, in ihren Augen. Zu ge rne hätte er das bestätigt, aber er wusste es auch nicht. Jin war für Scherze zu haben, aber mit dem MSS machte man keine Scherze, nicht in China, wo sie – so die Gerüchte – alle eMails lesen. Und Russen und die CIA – das wäre dann doch ein bisschen zu durchsichtig dick aufgetragen. Dreyer tendierte dazu, die Nachricht ernst zu nehmen. „Ich fürchte nicht.“
Elena blickte auf den Boden. Würde sie das hier melden, wären innerhalb kü rzester Zeit die Navy Seals, die Delta Force oder eine der BlackOps-Spezialeinheiten hier, Dreyer käme in eine offiziell nichtexistente Gefängnis-Folter-Einrichtung und könnte wahrscheinlich keine Frage beantworten. Das wollte sie nicht. Was sie aber noch weniger wollte war, selbst in eine solche Einrichtung zu kommen. Sie konnte schließlich auch keine einzige der Fragen, die ihr gerade durch den Kopf gingen, beantworten.
„Vielleicht“, schlug Dreyer plötzlich vor, „vielleicht sollte ich mal meine Freunde beim MAD fragen, was hier los ist.“
Der MAD, der militärische Abschirmdienst, war das deutsche Äquivalent zur amerikanischen DIA, der Militärgeheimdienst. Im Vergleich dazu waren die CIA Schulmädchen – so wie Elena.
„Klar“, scherzte sie. „Ich rufe dann im Weißen Haus an und frage den Präs identen.“
„Ok, mach das“, sagte Dreyer, etwas herablassend. „Aber ernsthaft, denkst du, das ist eine gute Idee? Ich meine, wenn die Chinesen, die Russen und die Amerikaner da drin sind, und so wie das klingt nicht unbedingt gegeneinander, dann ist das sicher was mit Terroristen. Und ich habe echt keine Lust, von drei Vierteln der Erde als Terrorist gejagt zu werden. Ich will hier schön weiter meine Ruhe haben und mit einer wunderschönen Frau mein Leben genießen.“
Elena sah ihn an. Einen solchen Satz hatte sie nicht erwartet, gar nicht. Dreyer war immer klar heraus, wollte immer leben, so gut es ging, aber das klang nach einem felsenfesten Entschluss. Er hat sich für die wunderschöne Frau entschieden, begriff Elena mit einem Mal. Für sie.
„Ich bin bei der CIA.“
„Jaja, und ich bin ein international gesuchter Terrorist. Aber bevor wir jetzt mit Fesselspielchen anfangen, wollen wir nicht erst mal in Ruhe frühstücken und über die eMail nachdenken?“
Sie sah ihn so lange an, bis er nicht mehr so wirkte, als denke er über Frühstück oder Sex nach. „Ernsthaft?“, fragte er, völlig verwundert.
Elena fing an, zu weinen. Sie wusste, dass sie das nicht hätte sagen dürfen, aber jetzt war es zu spät. Und sie wusste jetzt noch weniger, was sie tun sollte. Dreyer nahm sie in den Arm – er wusste gerade auch nicht, was er tun oder sagen sollte.
Nach einer Weile, nachdem er sich sicher war, dass sie sich schlecht fühlte, weil sie bei der CIA war und es ihm nicht gesagt hatte und nicht aus… naja, we lchen Gründen auch immer, versuchte er, weiter zu sprechen: „Du weißt ja auch nicht alles über mich“, begann er vorsichtig.
„Du willst mir jetzt nicht erzählen, du bist vom MAD und auch auf der Suche nach dem russischen Boot, oder?“
Dreyer war verwirrt. „Russisches Boot?“
Elena stellte fest, dass sie schon wieder zu viel gesagt hatte. Aber jetzt war es ohnehin zu spät, und was auch immer passieren würde, es würde nicht viel schlimmer werden. „Ja, die Nikita .“
„Was ist mit der Nikita ?“, fragte Dreyer und blickte sich auf seinem Boot etwas skeptisch um.
„Weiß ich nicht. Aber die halbe CIA sucht nach einem Boot mit einem russ ischen Skipper, Schweizer Flagge, Bootsname Nikita .“
„Wie, weißt du nicht ?“
„Dan, ich bin Linguistin. Ich lese bei der CIA Nachrichten. Und plötzlich sitze ich in einem Flieger in die Karibik und soll versuchen, rauszufinden, ob i rgendwo ein
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